Work-Life-Blending: Was steckt dahinter?
Work-Life-Blending steht für eine Vermischung von Arbeit und Privatleben und liegt voll im Trend. Was hat es mit dem Modell auf sich? Welche Vorteile und welche Risiken gehen damit einher – und was kann man tun, um Work-Life-Blending möglichst arbeitnehmerfreundlich umzusetzen? Das erfahren Sie in diesem Beitrag.
Work-Life-Blending: Definition
Für viele Arbeitnehmer bringt der Alltag viel Stress mit sich. Neben privaten Verpflichtungen trägt vor allem der Job dazu bei, dass viele Menschen permanent zu wenig Zeit haben – besonders, wenn Überstunden an der Tagesordnung sind. Nicht umsonst steht eine bessere Work-Life-Balance auf der Wunschliste vieler Beschäftigter weit oben. Das setzt voraus, dass Beruf und Privatleben gedanklich klar voneinander getrennt werden und sich möglichst die Waage halten sollten. Der Realität entspricht das aber häufig nicht.
Eine klare Trennung von Job und Freizeit, wie sie noch vor einigen Jahrzehnten üblich war, ist heute in vielen Fällen nicht mehr gegeben. Viele Arbeitnehmer gehen nicht mehr morgens zu einem bestimmten Zeitpunkt aus der Tür, arbeiten acht Stunden, kommen zurück und haben uneingeschränkt Zeit für sich. Die Grenzen zwischen Arbeit und Privatem verschwimmend oft zusehends: abends beantwortet man vom Sofa aus noch ein paar Mails, wenn viel zu tun ist, wird hin und wieder ein Wochenende geopfert, und Anrufe nimmt man auch außerhalb der eigentlichen Arbeitszeiten entgegen.
Dieser Vermischung aus Arbeit und Privatleben trägt der Begriff Work-Life-Blending Rechnung. Das englische Wort „blending“ bedeutet nichts anderes als Vermischung oder Mischung. Work-Life-Blending steht für einen Trend, bei dem die Trennlinien zwischen den verschiedenen Bereichen des Lebens aufgeweicht werden.
Was Work-Life-Blending für Arbeitnehmer bedeutet
Dass nicht nur viele Selbständige, sondern auch viele Arbeitnehmer Work-Life-Blending betreiben, hängt auch mit den digitalen Möglichkeiten unserer Zeit zusammen. Längst ist es kein Problem mehr, von zuhause oder unterwegs aus zu arbeiten. Auch die Vernetzung mit anderen ist enger und es ist unkomplizierter als früher, andere zu kontaktieren.
In der Praxis kann Work-Life-Blending zum Beispiel bedeuten, dass jemand regelmäßig im Homeoffice arbeitet und an diesen Tagen nicht stur acht Stunden am Schreibtisch sitzt, sondern zwischendurch andere Dinge macht – zum Beispiel die Wäsche oder Einkäufe. Diese Zeiten werden dann später nachgeholt, so dass sich der eigentliche Feierabend deutlich nach hinten verschieben kann.
Work-Life-Blending kann auch dazu führen, dass man arbeitsbereit ist, wenn man eigentlich Freizeit hat. So könnte ein Beschäftigter etwa einen geschäftlichen Anruf entgegennehmen, obwohl er gerade mit Freunden in einem Café sitzt, oder jemand beschäftigt sich auf der Bahnfahrt zu einem privaten Treffen mit beruflichen Dingen.
Vorteile: Das spricht für Work-Life-Blending
Dass Work-Life-Blending im Trend liegt, hängt mit den Vorteilen zusammen, die aus Sicht von Arbeitnehmern und Arbeitgebern damit verbunden sind. Für Beschäftigte kann an einem entsprechenden Modell zum Beispiel vorteilhaft sein:
- Work-Life-Blending macht es möglich, die Arbeit ans Leben anzupassen. Gerade in Verbindung mit Homeoffice bedeutet das mehr Flexibilität. Beschäftigte können sich ihre Zeit oft so einteilen, wie es ihnen am besten passt. Das lässt Raum für private Verpflichtungen und Freizeitaktivitäten. Work-Life-Blending kann dabei helfen, Beruf und Privatleben miteinander zu vereinen.
- Wer Work-Life-Blending betreibt, kann dann arbeiten, wenn er seine produktivsten Phasen hat. Im Homeoffice ist es zum Beispiel häufig möglich, auszuschlafen und in Ruhe zu frühstücken, bevor man mit der Arbeit beginnt, weil man sich morgens ohnehin nicht gut konzentrieren kann. Andere nutzen lieber die Morgenstunden, weil sie nachmittags ein Konzentrationstief haben – dank Work-Life-Blending kein Problem.
- Apropos Konzentration: Wer einen Job mit festen Arbeitszeiten hat, hat unweigerlich Phasen, in denen er leistungsfähiger ist als in anderen. Mit Work-Life-Blending ist ein stures Absitzen der Arbeitszeit nicht nötig. Die Beschäftigten können die Zeit in unproduktiven Phasen anders nutzen und später wieder loslegen. Das kann zu besseren Ergebnissen und einer höheren Produktivität führen.
- Menschen, die sich über mehr Flexibilität, Freiheit und weniger starre Vorgaben im Job freuen, sind durch Work-Life-Blending oft zufriedener.
Nachteile: Grenzen und Risiken von Work-Life-Blending
Während die einen die Vorteile von Work-Life-Blending sehen, überwiegt bei anderen die Skepsis angesichts des Trends. Das hängt mit verschiedenen Risiken zusammen, die mit Work-Life-Blending einhergehen können:
- Work-Life-Blending kann dazu führen, dass es keinen Zeitpunkt mehr gibt, wo wirklich Feierabend ist. Vielen Beschäftigten in entsprechenden Arbeitszeitmodellen fällt es schwer, abzuschalten und ihre Freizeit zu genießen, ohne an die Arbeit zu denken.
- Weil es beim Work-Life-Blending typischerweise keine festen Arbeitszeiten gibt, wissen oft auch Kollegen und der Chef nicht genau, wann jemand arbeitet – und versuchen es dann etwa telefonisch zu Zeiten, in denen man eigentlich gerade Pause macht. Das kann das Gefühl erzeugen, ständig erreichbar sein zu müssen.
- Wenn die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben verschwimmen, wächst die Gefahr von unbezahlten Überstunden. Viele Arbeitnehmer wissen selbst nicht so genau, wie viel sie eigentlich arbeiten. Manchen Menschen fällt es zudem schwer, aufzuhören, wenn die Arbeit so präsent ist, wie es etwa im Homeoffice oft der Fall ist.
- Dadurch kann es zu Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz kommen – ein Nachteil aus Sicht von Arbeitnehmern, die oft ihre eigenen Rechte beschneiden, indem sie auf Pausen verzichten oder gesetzliche Ruhezeiten unterschreiten.
- Es besteht die Gefahr, dass die Vermischung von Arbeit und Privatleben zulasten des Privatlebens geht. Oft läuft es so: Während man eigentlich Freizeit hat oder haben könnte, ruft die Arbeit – und das schlechte Gewissen bewegt einen dazu, sich an den PC zu setzen. Umgekehrt kommen aber die wenigsten Beschäftigten auf die Idee, sich längere Zeit privaten Dingen zu widmen, wenn sie eigentlich arbeiten sollten. Die Arbeit wird oft wichtiger genommen als das eigene Wohlbefinden, das von genügend Freizeit und Entspannung abhängt.
- Ständige Unterbrechungen der Arbeit für private Verpflichtungen wie das Abholen der Kinder oder Erledigungen können dazu führen, dass man am Ende des Tages kaum noch Zeit für sich hat. Einen richtigen Feierabend, der sich auch so anfühlt, gibt es dann oft nicht mehr.
- Die Vermischung von Arbeit und Privatleben kann durch die damit verbundenen Risiken psychische und körperliche Folgen haben, darunter Schlafstörungen, Magen-Darm-Beschwerden, Rückenschmerzen, Depressionen oder Burnout. Work-Life-Blending kann zu einem dauerhaften Zustand der Überlastung führen.
Work-Life-Blending: Tipps für die Umsetzung
Ob Work-Life-Blending für die Beschäftigten eher Vorteile oder Nachteile mit sich bringt, hängt maßgeblich davon ab, wie es ausgestaltet wird. Die folgenden Tipps können Ihnen dabei helfen, Work-Life-Blending so umzusetzen, dass die Vorzüge den Risiken überwiegen.
Den Tag strukturieren
Arbeiten, wenn es gerade passt, und zwischendurch private Dinge erledigen: das klingt für viele zunächst nach der idealen Lösung. Viele Arbeitnehmer stellen aber schnell fest, dass ihnen ein Tag ohne klare Struktur nicht liegt. Man kann schlechter planen, wenn man nicht weiß, bis wann man die Arbeit erledigt hat. Die gute Nachricht: Es steht Ihnen frei, sich Ihren Tag eigenständig zu strukturieren. Das kann zum Beispiel bedeuten, die Arbeit in bestimmte zeitliche Cluster einzuteilen – etwa, indem Sie acht Stunden auf viermal je zwei Stunden zu festen Zeitpunkten verteilen. Sie können auch Kernarbeitszeiten festlegen, von denen Sie nur in Ausnahmefällen abweichen.
Wann sind Sie am produktivsten?
Damit Ihnen die Arbeit beim Work-Life-Blending möglichst leicht von der Hand geht, sollten Sie Ihre produktivsten Phasen dafür nutzen. Überlegen Sie, wann Sie sich am besten konzentrieren können und wann am schlechtesten, und planen Sie Ihre Tage entsprechend. Legen Sie auch einzelne Aufgaben so, wie es Ihrer Konzentrationsfähigkeit entspricht.
Schreiben Sie sich Ihre Arbeitszeiten auf
Um nicht Gefahr zu laufen, unbemerkt Überstunden zu machen, ist es sinnvoll, sich die Arbeitszeiten zu notieren. Machen Sie es sich zur Angewohnheit, immer aufzuschreiben, wann Sie gearbeitet haben – auch, wenn Sie nur zehn Minuten lang beruflich telefoniert haben.
Freizeit ohne schlechtes Gewissen
Damit Work-Life-Blending sich nicht als Nachteil entpuppt, sollten Sie sich genügend Zeit für private Dinge zugestehen. Ihre Freizeit ist nicht weniger wichtig als die Arbeit, und Sie sollten immer genügend Zeit für einen Ausgleich vom Job haben. Das ist für Ihre mentale und körperliche Gesundheit essenziell. Wenn nötig, markieren Sie sich private Vorhaben – von Erledigungen über Sport bis zum Kaffee mit Freunden – als feste Termine im Kalender. Halten Sie sich dann auch tatsächlich daran, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Letztendlich sind Sie sowieso leistungsfähiger, wenn Sie zwischendurch genügend Pausen hatten.
Richten Sie sich zuhause ein richtiges Büro ein
Work-Life-Blending geht häufig zumindest teilweise mit Arbeiten im Homeoffice einher. Wenn Sie regelmäßig von zuhause aus arbeiten, sollten Sie sich nach Möglichkeit ein richtiges Büro dafür einrichten. Der heimische Küchentisch ist keine Dauerlösung – zu groß sind dort die Ablenkungen, die Ausstattung ist häufig unzureichend und genügend Platz gibt es meistens auch nicht.
Seien Sie nicht ständig erreichbar
Wer permanent damit rechnen muss, vom Chef, Kollegen oder Kunden angerufen oder per Mail kontaktiert zu werden, kann seine Freizeit oft nicht richtig genießen. Seien Sie deshalb nicht ständig erreichbar, sondern machen Sie Ihr Handy auch mal aus. Natürlich müssen Sie mit dem Arbeitgeber absprechen, zu welchen Zeiten Sie erreichbar sein sollten, aber belassen Sie es auch bei diesen Zeiten.
Work-Life-Blending: Ein Modell mit Zukunft?
Work-Life-Blending – für die einen steht das Modell für viele Freiheiten und mehr Selbstbestimmung. Andere sehen darin eine gefährliche Entwicklung, die den Weg für noch mehr Selbstausbeutung auf Arbeitnehmerseite bereiten kann. Ganz so schwarzweiß, wie viele Menschen Work-Life-Blending sehen, ist die Sache allerdings nicht. Es gibt Menschen – Arbeitnehmer wie Arbeitgeber –, die davon profitieren, während sich diese Herangehensweise für andere weniger eignet.
Fakt ist: Für viele Beschäftigte ist Work-Life-Blending längst Realität. Ob sich das Modell in der Breite durchsetzen kann, ist keine Frage des Zufalls. Es kommt darauf an, wie Arbeitnehmer und Arbeitgeber jetzt und in der Zukunft dazu stehen. Wie die Arbeitswelt von morgen aussieht, bestimmen in erster Linie die jüngeren Arbeitnehmer und die künftigen Fach- und Führungskräfte.
Generationen mit unterschiedlichen Werten
Dabei muss berücksichtigt werden, dass unterschiedliche Generationen unterschiedliche Werte haben. Der sogenannten Generation Y, deren Geburtsjahrgänge von den frühen 1980er Jahren bis zum Ende der 1990er Jahre reichen, wird nachgesagt, dass sie leistungsorientiert ist und Wert auf Karriere legt.
Viele dieser Millennials haben durch ihr Verhalten dazu beigetragen, dass Work-Life-Blending entstehen konnte. Sie widmen sich oft mehr oder weniger freiwillig in ihrer Freizeit beruflichen Dingen, indem sie etwa Mails beantworten oder sich auf anstehende Aufgaben vorbereiten – auch, wenn es der Arbeitgeber nicht von ihnen verlangt.
Verglichen mit der Generation Y hat die darauffolgende Generation Z, die ab Ende der 1990er Jahre bis etwa 2010 geboren wurde, in mancherlei Hinsicht andere Vorstellungen. Viele jüngere Menschen wollen keine steile Karriere mehr machen und sind nicht bereit, sich für den Job zulasten ihres Privatlebens aufzuopfern oder ständig Überstunden zu leisten. Führungspositionen, die mit mehr Verantwortung und Stress einhergehen, streben viele Jüngere nicht an.
Viele Angehörige der Generation Z stehen der Leistungsgesellschaft kritisch gegenüber und wünschen sich statt eines (vermeintlich) prestigeträchtigen Jobs lieber mehr Zeit für sich. Selbstverwirklichung sehen vor allem viele jüngere Menschen nicht als Sache, die zwingend an den Beruf geknüpft ist. Sinnsuche wird dafür häufiger außerhalb des Jobs betrieben, zum Beispiel mit Hobbys, Freunden, dem Partner oder der Familie.
Viele junge Menschen wünschen sich einen klar strukturierten Alltag
Laut einem Papier des Think Tanks Roman-Herzog-Institut über die Zukunft der Arbeit aus dem Jahr 2016 wünscht sich die Generation Z eine klare Trennung zwischen Privatleben und Beruf. Einen strukturierten Alltag mit festen Arbeitszeiten, die die Freizeitplanung erleichtern, finden demnach viele jüngere Menschen erstrebenswert. Auf der anderen Seite fürchten viele einen zu großen Einfluss des Arbeitgebers auf das Privatleben. An einer Verschmelzung von Beruf und Freizeit hat die Generation Z, anders als die Generation Y, demnach kein Interesse.
Solche Einstellungen sprechen nicht dafür, dass Work-Life-Blending sich auf Dauer durchsetzen wird. Hinzu kommt: Die Angehörigen der Generation Z stammen aus geburtenärmeren Jahrgängen. Sie werden es im Berufsleben leichter haben, weil es weniger Konkurrenz um Jobs gibt. Für Arbeitgeber bedeutet das, dass sie noch stärker auf die Wünsche von Jobsuchenden eingehen müssen, um diese in ihr Unternehmen zu locken. Für Arbeitgeber kann es damit künftig wichtiger denn je werden, Arbeitsbedingungen zu bieten, die der Work-Life-Balance und nicht dem Work-Life-Blending entgegenkommen.
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