Wiedereingliederung: So gelingt die Rückkehr in den Job
Mitarbeiter, die krankheitsbedingt eine längere Zeit ausfallen, können an einer sogenannten Wiedereingliederung teilnehmen und damit die Chancen auf eine schnelle Rückkehr nach der Krankheit steigern. Was es zu der Maßnahme zu wissen gibt und wie die Unterschiede zum betrieblichen Eingliederungsmanagement liegen, erfahren Sie hier.
Wiedereingliederung: Was versteht man darunter?
Die Wiedereingliederung, häufig auch Hamburger Modell genannt, ist dazu da, länger erkranken Mitarbeitern den Wiedereinstieg in den Job zu erleichtern. Die rechtliche Grundlage der Wiedereingliederung findet sich in § 74 Sozialgesetzbuch V.
Dabei soll der Mitarbeiter dank einer stufenweisen Eingliederung die Möglichkeit erhalten, sich nach und nach wieder an die Belastungen in seiner Position zu gewöhnen.
Wie lange dauert die Wiedereingliederung?
Die Dauer der Wiedereingliederung liegt in der Regel zwischen wenigen Wochen und bis zu sechs Monaten. In Ausnahmefällen kann sich die Maßnahme jedoch auch länger hinziehen. In besonders schweren Fällen sind bis zu zwölf Monate denkbar.
Wie die Wiedereingliederung konkret abläuft, hängt in erster Linie vom Gesundheitszustand des Mitarbeiters ab. Manche können zunächst nur wenige Stunden arbeiten, während andere nach ein paar Tagen wieder voll einsteigen können.
Wenn der Mitarbeiter wieder voll einsatzfähig ist, gilt die Wiedereingliederung als abgeschlossen. Es sind aber noch weitere Gründe denkbar, weshalb die Wiedereingliederung endet:
- Mitarbeiter erkrankt wieder: Verschlechtert sich der Gesundheitszustand des Mitarbeiters, muss der Stufenplan zumindest nachgebessert werden. In einigen Fällen ist das jedoch auch ein Grund dafür, dass die Maßnahme komplett abgebrochen wird.
- Wiedereingliederung nicht möglich: Denkbar ist aber auch, dass der Arbeitsplatz für eine erfolgreiche Wiedereingliederung umgestaltet werden müsste. Ist das nicht möglich, könnte das dazu führen, dass die Wiedereingliederung abgebrochen wird.
Finanzielle Absicherung während der Maßnahme
Wenn der Arbeitgeber möchte, kann er eine kleine Entschädigung für die abgeleistete Arbeitszeit zahlen. Mitarbeiter sollten an dieser Stelle jedoch genau nachrechnen. Unter Umständen könnten sie durch die kleine Zahlung des Arbeitgebers ihren Anspruch auf Krankengeld oder einen anderen Entgeltersatz verlieren.
Denn während der Maßnahme ist der Mitarbeiter weiterhin krankgeschrieben und ist daher ohnehin finanziell über folgende Zahlungen abgesichert – je nachdem, was für ihn infrage kommt:
- Krankengeld
- Verletztengeld
- Übergangsgeld
Die Voraussetzungen der Wiedereingliederung
Damit die Wiedereingliederung durchgeführt werden kann, muss der Mitarbeiter bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Dazu gehören:
- Teilweise Arbeitsunfähigkeit: Während die Wiedereingliederung läuft, muss der Mitarbeiter weiterhin arbeitsunfähig sein. Jedoch muss ein Arzt bescheinigen, dass er wenigstens teilweise wieder in der Lage ist, an seinen Arbeitsplatz zurückzukehren.
- Einsatz am vorherigen Arbeitsplatz: Zentrale Voraussetzung der Wiedereingliederung ist, dass der Beschäftigte an seinen vorherigen Arbeitsplatz zurückkehrt. Es geht also nicht darum, den Mitarbeiter irgendwie im Unternehmen zu halten, sondern genau auf seinem eigentlichen Arbeitsplatz.
- Anspruch gegenüber Krankenkassen: Außerdem hat der Mitarbeiter einen Anspruch darauf, von seiner Krankenkasse oder einem Rehabilitationsträger weiterhin Geld zu bekommen. Sollte dieser Anspruch auslaufen, endet auch die Wiedereingliederung. Und das unabhängig davon, ob die Maßnahme abgeschlossen ist oder nicht.
- Gesetzliche Krankenversicherung: Der Beschäftigte muss in einer gesetzlichen Krankenkasse versichert sein, damit er an einer Wiedereingliederung teilnehmen kann.
- Zustimmung aller Beteiligten: Alle Personen, die in irgendeiner Weise von der Wiedereingliederung betroffen sind, müssen dem Prozess zustimmen. Das sind in erster Linie der Mitarbeiter sowie der Arbeitgeber. Aber auch die Krankenkasse und der behandelnde Arzt müssen ihr OK geben.
- Stufenweise Wiedereingliederung: Der behandelnde Arzt muss einen detaillierten Wiedereingliederungsplan aufstellen, an den sich alle Beteiligten halten müssen. Diesen Plan muss der Mitarbeiter mit seinem Arzt besprechen und ihn dann an den Arbeitgeber weiterleiten. Hier ist also zunächst der Arbeitnehmer in der Pflicht. Vernachlässigt er diese Pflicht und kümmert sich nicht um den Wiedereingliederungsplan, muss der Arbeitgeber die Wiedereingliederung nicht durchführen.
Ablauf der Wiedereingliederung: So funktioniert die Maßnahme
Die Wiedereingliederung richtet sich immer nach den konkreten Bedürfnissen des Mitarbeiters. Daher wird der Stufenplan im Hamburger Modell auch individuell ausgearbeitet – diese Aufgabe übernimmt in der Regel der behandelnde Arzt. Denkbar ist allerdings auch, dass Sozialberater diese Aufgabe übernehmen. Meist wird der Betriebsarzt einbezogen, wenn der Stufenplan erarbeitet werden soll.
In dem Plan werden folgende Dinge festgelegt:
- Wie lange sollen die einzelnen Stufen dauern?
- Wie lange kann der Mitarbeiter in jeder Stufe am Arbeitsplatz eingesetzt werden?
- Welche Aufgaben soll der Arbeitnehmer dabei übernehmen?
- Muss der Arbeitsplatz angepasst werden?
- Welche Tätigkeiten kann der Mitarbeiter noch nicht ausüben?
Der Stufenplan muss zwar vor Beginn der Maßnahme feststehen, ist aber nicht bindend. Bedeutet: Er kann auch abgeändert und angepasst werden, wenn die Situation und/oder der Gesundheitszustand das erfordert.
Wiedereingliederung und Kündigungsschutz: Was gilt?
Zunächst einmal ist es wichtig, mit einem alten arbeitsrechtlichen Irrtum aufzuräumen: Auch Mitarbeiter, die krankgeschrieben sind, können gekündigt werden. Leider kommt es immer wieder zu dem Missverständnis, dass sich Mitarbeiter mit einer Krankschreibung vor einer Kündigung schützen möchten. Das klappt aber nur in den seltensten Fällen.
Auf der anderen Seite könnten Arbeitnehmer gute Chancen haben, wenn der Arbeitgeber der Wiedereingliederung vor der Kündigung nicht zustimmt. Denn eine Voraussetzung der krankheitsbedingten Kündigung ist, dass zunächst alle anderen Optionen ausgeschöpft werden müssen. Die Wiedereingliederung könnte genau diese Maßnahme sein.
Mitarbeiter sollten in diesem Fall jedoch unbedingt Rücksprache mit einem Fachanwalt halten. Denn nur ein Anwalt kann beurteilen, ob tatsächlich alle Voraussetzungen für eine Kündigung eingehalten wurden und ob Sie unter Umständen gute Karten für eine Kündigungsschutzklage haben.
Wiedereingliederung und betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM): die Unterschiede
Die Begriffe Wiedereingliederung und betriebliches Eingliederungsmanagement werden häufig synonym verwendet. Sie sind es streng betrachtet aber nicht. Im Gegenteil, es gibt einige gewaltige Unterschiede zwischen den beiden Modellen, die wir in folgender Übersicht einmal gesammelt haben:
Wiedereingliederung | Betriebliches Eingliederungsmanagement |
Wiedereingliederung ist komplett freiwillig. Der Arbeitgeber ist nicht dazu gezwungen, die Maßnahmen anzubieten. Ausnahme: Mitarbeiter mit einer Schwerbehinderung. Diese haben einen rechtlichen Anspruch auf die Wiedereingliederung. | Wenn der Arbeitnehmer mehr als 42 Tage innerhalb eines Jahres krank ist, muss der Arbeitgeber das BEM anbieten. |
Eine bestimmte Krankheitsdauer ist keine Voraussetzung für die Wiedereingliederung. | BEM ist verpflichtend, wenn Mitarbeiter länger als 42 Tage im Jahr krankgemeldet sind. |
Ziel der Wiedereingliederung: Der Mitarbeiter soll wieder an seinen ursprünglichen Arbeitsplatz zurückkehren. | Ziel des BEM: Mitarbeiter soll – wenn möglich – weiter im Unternehmen beschäftigt werden. Auch andere Tätigkeiten und Stellen sind dabei denkbar. |
Wiedereingliederung steht nur gesetzlich Versicherten zu. | BEM kann sowohl von gesetzlich als auch von privat versicherten Arbeitnehmern wahrgenommen werden. |
Wiedereingliederung können nur Mitarbeiter beanspruchen, die ihre eigentliche Arbeit zumindest teilweise wieder ausüben können. | BEM steht allen Beschäftigten offen, die mehr als 42 Tage krank waren/sind. |
Bei der Wiedereingliederung gibt es einen Stufenplan, der den genauen Ablauf festlegt (Hamburger Modell) und klar geregelt ist. | Das BEM läuft individuell ab und richtet sich in erster Linie nach dem Arbeitnehmer und seinem aktuellen Gesundheitszustand. |
Bildnachweis: Quality Stock Arts / Shutterstock.com