Vorruhestand: Früher in Rente gehen
Viele ältere Arbeitnehmer haben das Gefühl, langsam genug gearbeitet zu haben. Sie sehnen sich danach, in Rente gehen und selbst darüber bestimmen zu können, was sie mit ihrer Zeit anstellen. Ein Vorruhestand vor dem eigentlichen Renteneintrittsalter kann dann eine interessante Option sein. Wann er infrage kommt und welche Möglichkeiten es gibt, wie Sie Ihren Vorruhestand richtig planen und ob sich ein früherer Renteneintritt mit Abschlägen lohnt – in diesem Artikel erfahren Sie es.
Vorruhestand: Was ist damit gemeint?
Normalerweise kann man als Arbeitnehmer erst in Rente gehen, wenn man die Regelaltersgrenze erreicht hat. Das ist der Zeitpunkt, zu dem ein Renteneintritt nach den Voraussetzungen der Deutschen Rentenversicherung regulär möglich ist. Derzeit hängt es vom eigenen Jahrgang ab, wann man sich aus dem Berufsleben verabschieden kann. Das Renteneintrittsalter liegt gegenwärtig zwischen 65 und 67 Jahren. Nach und nach steigt die Regelaltersgrenze auf 67 Jahre.
Viele Arbeitnehmer wollen oder können nicht so lange arbeiten. Sie denken deshalb über einen Vorruhestand nach oder gehen tatsächlich eine gewisse Zeit früher in Rente. In den Vorruhestand zu gehen bedeutet also, vorzeitig in Rente zu gehen, bevor man die Regelaltersgrenze der Rentenversicherung erreicht hat. Man arbeitet also nicht wie eigentlich vorgesehen bis zum Alter von 65, 66 oder 67 Jahren, je nach Geburtsjahr.
Wer über einen Vorruhestand nachdenkt, muss individuell prüfen, welche Optionen er dabei hat. Allgemeine Vorruhestandsregelungen, auf die sich alle Arbeitnehmer berufen können, gibt es so nicht. Es kommt vielmehr auf die persönlichen Umstände an – und im Zweifel auch darauf, was man mit dem Arbeitgeber vereinbaren kann.
In den Vorruhestand gehen: Welche Möglichkeiten gibt es?
Verschiedene Wege können in den Vorruhestand führen. Hier finden Sie die wichtigsten Optionen, mit denen Sie früher in Rente gehen können, im Überblick. Manche Modelle ermöglichen Ihnen einen früheren Renteneintritt, ohne dabei Abschläge bei der Rente in Kauf nehmen zu müssen. Bei anderen mindert sich Ihre Rentenhöhe durch den Vorruhestand dauerhaft.
Sonderregelung für besonders langjährig Versicherte
Die gesetzliche Rentenversicherung sieht Sonderregelungen beim Renteneintritt für besonders langjährig Versicherte vor. Wer mindestens 45 Jahre Beiträge an die Rentenversicherung gezahlt hat, kann ohne Abschläge früher in Rente gehen. Diese Variante ist auch bekannt als Rente mit 63 – wer vor dem Jahr 1953 geboren wurde, konnte nämlich mit 63 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen, wenn er die genannten Voraussetzungen erfüllte. Das Alter, in dem ein abschlagsfreier Renteneintritt nach 45 Versicherungsjahren möglich ist, steigt wie das reguläre Rentenalter sukzessive an.
Wichtig zu wissen: Nicht nur Zeiten der Beschäftigung werden angerechnet. Auch Zeiten der Kindererziehung, der Pflege von Angehörigen oder verpflichtendem Wehr- oder Zivildienst werden berücksichtigt. Das gilt auch für Zeiten der Arbeitslosigkeit, bei denen die Betroffenen das reguläre Arbeitslosengeld („Arbeitslosengeld I“) bezogen haben, wobei die letzten beiden Jahre vor dem Erreichen der Regelaltersgrenze ausgeklammert sind. Wenn jemand in den zwei Jahren, bevor ein Renteneintritt regulär möglich ist, Arbeitslosengeld I bekommt, zählt das also nicht zu den Versicherungszeiten im Sinne dieser Sonderregelung.
Sonderregelung für langjährig Versicherte
Eine zweite Sonderregel der gesetzlichen Rentenversicherung gilt für langjährig Versicherte, die mindestens 35 Versicherungsjahre nachweisen können. Arbeitnehmer, die zwischen 1949 und 1963 geboren wurden, können schon vor dem 67. Geburtstag ohne Abschläge in Rente gehen. Auch hier wird das Rentenalter schrittweise angehoben. Für alle ab 1964 Geborenen liegt das Renteneintrittsalter auch mit 35 Beitragsjahren bei 67 Jahren.
Grundsätzlich ist es aber für alle langjährig Versicherten möglich, mit Abschlägen früher in Rente zu gehen. Bei einem Vorruhestand verringert sich die Rente für jeden Monat des früheren Renteneintritts um 0,3 Prozent. Maximal möglich ist eine Verringerung um 14,4 Prozent, was vier Jahren entspricht. Mit dieser Regelung können Beschäftigte also bis zu vier Jahre früher in Rente gehen, wenn sie die damit verbundenen Abschläge in Kauf nehmen. Die Rente mindert sich dabei dauerhaft.
Vorruhestandsregelung bei Personalabbau
Ebenfalls interessant kann eine Vorruhestandsregelung des Arbeitgebers sein. Manche Arbeitgeber, die Stellen abbauen wollen, bieten älteren Mitarbeitern eine solche Vorruhestandsregelung an. So funktioniert es: Der Arbeitnehmer scheidet freiwillig aus dem Betrieb und damit auch aus dem Arbeitsleben aus, obwohl er die Regelaltersgrenze noch nicht erreicht hat. Im Gegenzug erhält er dafür eine finanzielle Kompensation vom Arbeitgeber, etwa in Form von Vorruhestandsgeld. Das Vorruhestandsgeld wird dann statt des üblichen Gehalts so lange gezahlt, bis der Betroffene tatsächlich in Rente geht.
Sonderregeln für bestimmte Gruppen von Beschäftigten
Es kommt auch auf den Beruf und die eigenen Umstände an, ob und wann ein Vorruhestand möglich ist. Menschen mit Schwerbehinderung können etwa zwei Jahre vor dem Erreichen der normalen Regelaltersgrenze in Rente gehen, mit Abschlägen auch früher. Die Voraussetzung ist, dass sie mindestens 35 Versicherungsjahre bei der Rentenversicherung nachweisen können.
Arbeitnehmer in bestimmten Berufen können ebenfalls früher aus dem Berufsleben ausscheiden. Das betrifft unter anderem Piloten, Fluglotsen, Beschäftigte im Bergbau, Berufssoldaten und Beamte bei Polizei und Feuerwehr.
Arbeitslos vor dem Renteneintritt
Wenn Ihnen der Arbeitgeber gekündigt hat, kurz, bevor Sie in Rente gehen können, können Sie auch eine Zeit lang vom Arbeitslosengeld leben. Ältere Arbeitslose können Arbeitslosengeld I bis zu zwei Jahre lang erhalten. Sie sollten aber wissen: Es lohnt sich meist nicht, selbst zu kündigen. Zwar bekommen Sie trotzdem Arbeitslosengeld, werden aber vom Amt in der Regel mit einer Sperrzeit belegt. Normalerweise verkürzt sich die Bezugsdauer um ein Viertel. Bei einer maximalen Bezugsdauer des Arbeitslosengelds von 24 Monaten bei älteren Betroffenen reduziert sich diese dann faktisch auf 18 Monate.
Falls Ihnen der Arbeitgeber eine Abfindung anbietet, wenn Sie sich im Gegenzug auf einen Aufhebungsvertrag einlassen, ist diese Möglichkeit aber zumindest eine Überlegung wert. Denken Sie aber daran, dass eine Arbeitslosigkeit in den letzten zwei Jahren vor der Rente nicht zu den Beitragsjahren hinzugezählt wird.
Keine Sonderregelungen für Frauen und Arbeitslose
Früher gab es weitere Sonderregelungen, etwa für Frauen. Über die Altersrente für Frauen konnten diese schon mit 60 in Rente gehen. Diese Rente ist allerdings inzwischen ausgelaufen; sie konnte nur von Frauen bis zum Jahrgang 1952 genutzt werden. Ebenfalls nicht mehr relevant ist eine Vorruhestandsregelung für Arbeitslose. Sie konnten ab 63 Jahren in Rente gehen, wenn sie vor 1952 geboren wurden. Gelohnt hat sich das oft ohnehin nicht: Das Arbeitslosengeld ist nicht selten höher als die Rente, außerdem rechnete sich die Variante wegen der lebenslangen Abschläge häufig nicht.
Alternativen zum Vorruhestand: Altersteilzeit und Lebensarbeitszeitkonto
Es kann noch andere Wege geben, sich vorzeitig aus dem Berufsleben zu verabschieden. Für viele Beschäftigte kann das Modell der Altersteilzeit interessant sein, während andere ein Lebensarbeitszeitkonto nutzen können, um sich einen Vorruhestand zu ermöglichen.
Altersteilzeit: Früher raus aus dem Beruf oder weniger arbeiten
Altersteilzeit ist ein Teilzeitmodell, mit dem Arbeitnehmer de facto früher in Rente gehen beziehungsweise kurz vor dem Renteneintritt ihre Arbeitszeit verringern können. Wie das aussieht, hängt vom Modell ab:
- Beim Gleichverteilungsmodell wird die Arbeitszeit einige Jahre vor dem geplanten Renteneintritt auf 50 Prozent reduziert. Die Betroffenen arbeiten dann zum Beispiel immer nur halbe Tage oder sind nur einige Tage pro Woche am Arbeitsplatz.
- Alternativ kann sich auch das Blockmodell anbieten: Dabei wird die verbleibende Arbeitszeit bis zur Rente in zwei Teile geteilt. Im ersten Block – der Arbeitsphase – arbeiten die Betroffenen wie gehabt weiter. Ihre Arbeitszeit reduziert sich also nicht. Dafür müssen sie im zweiten Block – der Freistellungsphase – gar nicht mehr arbeiten.
- Arbeitgeber und Arbeitnehmer können davon abweichend auch ein eigenes Modell vereinbaren, bei dem die Arbeitszeit während der Altersteilzeit individuell gestaltet wird.
Mit der Altersteilzeit kann ein Vorruhestand mit 55 Jahren möglich sein. 55 Jahre sind nämlich das Mindestalter, das Beschäftigte erreicht haben müssen, um Altersteilzeit nutzen zu können. Außerdem müssen sie in den letzten fünf Jahren vor dem Beginn der Altersteilzeit mindestens 1.080 Tage sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein. Ob sie in Vollzeit oder Teilzeit gearbeitet haben, ist aber irrelevant. Zeiten der Arbeitslosigkeit werden ebenfalls berücksichtigt.
Finanziell bedeutet Altersteilzeit, dass sich das Gehalt entsprechend um die Hälfte reduziert. Der Arbeitgeber stockt es aber um 20 Prozent (des reduzierten Gehalts) auf. Außerdem muss er mindestens 80 Prozent der bisherigen Rentenversicherungsbeiträge weiterhin für seinen Mitarbeiter abführen, um Einbußen bei der Rente zu mindern. Wichtig: Einen Rechtsanspruch auf Altersteilzeit gibt es nicht, der Arbeitgeber muss sich also nicht darauf einlassen – es sei denn, es ist im Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem anwendbaren Tarifvertrag entsprechend geregelt.
Früher aufhören zu arbeiten dank Lebensarbeitszeitkonto
Arbeitszeitkonten erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Immer mehr Unternehmen nutzen sie, um die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter zu erfassen. Eine Variante ist das Lebensarbeitszeitkonto, welches über einen langen Zeitraum geführt wird. Ein Lebensarbeitszeitkonto kann einen Vorruhestand ermöglichen. Das setzt voraus, dass Beschäftigte genügend Zeitguthaben auf ihrem Arbeitszeitkonto angesammelt haben – zum Beispiel durch Überstunden, aber auch Sonderzahlungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld. Sie können dieses Guthaben dann in Freizeit umwandeln, wodurch sie schon einige Zeit vor dem offiziellen Renteneintritt nicht mehr arbeiten müssen.
Tipps für die Planung Ihres Vorruhestands
Wann und wie Sie früher in Rente gehen könnten, sollten Sie sich möglichst frühzeitig überlegen. Wenn Sie schon lange vorher wissen, was ein Vorruhestand für Sie finanziell bedeutet, können Sie rechtzeitig gegensteuern und mögliche finanzielle Nachteile abfedern – zum Beispiel dann, wenn Sie mit Abschlägen früher in Rente gehen. Diese Abschläge können Sie etwa durch Sonderzahlungen an die Rentenkasse ausgleichen. Diese Option besteht ab dem 50. Lebensjahr. Erkundigen Sie sich direkt bei der Rentenversicherung, wie hoch die Zahlung in Ihrem Fall sein müsste.
Sie können auch für höhere Einnahmen sorgen, indem Sie Ihr Geld sinnvoll anlegen. Geldanlagen können häufig eine höhere Rendite abwerfen als Sonderzahlungen an die Rentenversicherung, bergen aber auch ein höheres Risiko. Lassen Sie sich von einem unabhängigen Anlageberater beraten. Es kann auch sinnvoll sein, zusätzlich eine private Altersvorsorge abzuschließen. Informieren Sie sich, welche Optionen Sie dabei haben und wie lohnenswert die verschiedenen Varianten für Sie wären.
Geld sparen mit einer sparsamen Lebensweise
Ein weiterer Ansatz in der Planung Ihres Vorruhestands besteht darin, sparsam zu leben und Ihre Ausgaben zu reduzieren. Überlegen Sie, was Sie wirklich brauchen, und verzichten Sie auf alles, was nicht wirklich notwendig ist. So können Sie im Laufe der Jahre womöglich eine stattliche Summe zurücklegen, die Sie dann im Vorruhestand nutzen können.
Viele Menschen, die über einen früheren Ruhestand nachdenken, haben nicht generell ein Problem mit Arbeit. Sie wollen aber nicht mehr so viel arbeiten wie vorher oder nicht mehr so viel Verantwortung übernehmen. Wenn es Ihnen so geht, kann sich die Flexi-Rente anbieten. Frührentner können dadurch nebenher bis zu 6.300 Euro im Jahr verdienen, ohne dass es auf die Rente angerechnet wird. Falls Ihre Einkünfte höher sind, erhalten Sie nur eine Teilrente. Über einen Nebenjob können Sie so Ihre Einnahmen während des Vorruhestands aufbessern.
Nicht zuletzt sollten Sie auch überlegen, was Sie mit der im Vorruhestand gewonnen Zeit anfangen wollen. Längst nicht alle (Vor-)Ruheständler finden die neue Freiheit so prickelnd wie gedacht. Vielen fehlen die Struktur und die Aufgabe, die die Erwerbstätigkeit mit sich gebracht hat. Eine Zeit der Umgewöhnung ist ganz normal, aber bereiten Sie sich trotzdem darauf vor: Planen Sie in der Familie, wie die Rentenzeit gestaltet werden kann und soll.
Mit Abschlägen früher in Rente gehen: Lohnt es sich?
Viele Arbeitnehmer in einem höheren Alter haben einfach keine Lust mehr, zu arbeiten. Sie möchten ihr Leben lieber selbstbestimmt leben oder sind körperlich oder geistig ausgebrannt. Da kann die Idee, mit Abschlägen früher in Rente zu gehen, verlockend sein. Lohnt sich das?
Das können am Ende nur Sie selbst entscheiden. Nur Sie wissen, wie groß der Wunsch ist, die Arbeitswelt hinter sich zu lassen, und wie viel Geld Sie zum Leben brauchen. Sie sollten aber in jedem Fall gut prüfen, was es für Sie bedeuten würde, in den Vorruhestand zu gehen und dafür eine dauerhaft niedrigere Rente in Kauf zu nehmen.
Entscheidend ist einerseits, wie hoch Ihre erwartete Rente ist. Wer über viele Jahre ein gutes Gehalt hatte, kann es sich eher leisten, früher in Rente zu gehen, weil das Geld trotzdem noch zum Leben reicht. Auf der anderen Seite kann es jedoch schwer sein, mit weniger Geld auszukommen, wenn man sich an einen hohen Lebensstandard gewöhnt hat.
Andererseits kommt es darauf an, wie viel früher Sie in Rente gehen möchten und wie hoch die Abschläge bei der Rente wären. Diese Abschläge bleiben dauerhaft bestehen. Rechnen Sie aus, wie viel Geld Ihnen verlorengeht, wenn Sie in den Vorruhestand gehen. Bedenken Sie, dass Sie nicht nur Abschläge haben, sondern sich Ihr Rentenanspruch auch nicht weiter erhöht, weil Sie insgesamt kürzer arbeiten.
Möglicherweise können Sie die Abschläge anderweitig kompensieren. Es lohnt sich, frühzeitig darüber nachzudenken, wie das gehen könnte. In jedem Fall sollten Sie überlegen, wie viel Geld Sie realistischerweise zum Leben brauchen. Was ist das Minimum, was bräuchten Sie für ein komfortables Leben? Denken Sie auch an Extra-Ausgaben wie teure Anschaffungen oder Urlaube. Wenn das Geld wahrscheinlich knapp wird, ist es meist besser, noch eine Weile durchzuhalten, anstatt Renteneinbußen hinzunehmen.
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