Sonderurlaub: Anspruch und Dauer

Arbeitnehmer haben unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Sonderurlaub, gegebenenfalls sogar bezahlten Sonderurlaub. Was dabei zu beachten ist und wie hoch der Anspruch auf Sonderurlaub ist, haben wir uns genauer angesehen.

`Zwei Menschen beim Umzug, dafür kann es Sonderurlaub geben

Definition: Was ist Sonderurlaub?

Umzug, Todesfall oder die eigene Hochzeit: All diese Ereignisse können ein Grund für Sonderurlaub sein. Obwohl die Bezeichnungen ähnlich sind, hat der Sonderurlaub mit dem gewöhnlichen Erholungsurlaub, der allen Arbeitnehmern zusteht, jedoch wenig gemein.

Denn Erholungsurlaub ist dazu gedacht, dass sich Arbeitnehmer von ihren Arbeitsaufgaben erholen und ihre Arbeitskraft wiederherstellen können. Deshalb hat der Gesetzgeber sogar einen gesetzlichen Mindestanspruch auf Urlaub definiert: Bei einer 5-Tage-Woche stehen Beschäftigten mindestens 20 Tage Erholungsurlaub pro Jahr zu.

Sonderurlaub ist dagegen nicht dazu gedacht, dass sich Beschäftigte erholen. Er dient stattdessen der Freistellung von der Arbeit in besonderen Lebenssituationen. Statt von Sonderurlaub kann man eher davon sprechen, dass Beschäftigte für einen bestimmten Zeitraum von ihrer Pflicht zur Arbeitserledigung entbunden werden.

Sollten Sie konkrete Fragen zum Thema Sonderurlaub haben, lassen Sie sich von einem Rechtsanwalt, dem Betriebsrat oder der Gewerkschaft dazu beraten. Wir leisten keine Rechtsberatung, sondern möchten lediglich über allgemeine Zusammenhänge informieren.

Die Voraussetzungen für Sonderurlaub

Die gesetzlichen Grundlagen für den Sonderurlaub finden sich in Paragraf 275 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Dort heißt es:

„Der Schuldner [Arbeitnehmer] kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann.“

Es kann Arbeitnehmern zum Beispiel nicht zugemutet werden, dass sie ihre Arbeitsleistung an Tagen erbringen, an denen eine Beerdigung oder die Geburt des eigenen Kindes stattfindet. In derartigen Situationen können Beschäftigte der Arbeit fernbleiben, ohne dass sie dafür mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu rechnen hätten.

Neben dem Paragraf 275 BGB kann übrigens auch der Paragraf 616 BGB eine Anspruchsgrundlage für Sonderurlaub liefern. Letztgenannter Paragraf wurde zwar ursprünglich für den krankheitsbedingten Ausfall eines Arbeitnehmers geschaffen. Seit es jedoch das Entgeltfortzahlungsgesetz gibt, ist dieser Anwendungsbereich mehr und mehr in den Hintergrund getreten, sodass § 616 BGB heute eher in puncto Sonderurlaub relevant ist.

Dort ist zu lesen: „Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. Er muss sich jedoch den Betrag anrechnen lassen, welcher ihm für die Zeit der Verhinderung aus einer auf Grund gesetzlicher Verpflichtung bestehenden Kranken- oder Unfallversicherung zukommt.“

Die Arbeitsverhinderung des Beschäftigten muss also vorübergehend und unverschuldet sein. Vorübergehend und unverschuldet trifft zwar auch auf eine Erkrankung zu, für diese Fälle gilt jedoch das Entgeltfortzahlungsgesetz.

Bezahlter Sonderurlaub: die Voraussetzungen

In Paragraf 616 BGB sind außerdem die Voraussetzungen für bezahlten Sonderurlaub geregelt. Es müssten bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, damit der Arbeitgeber im Falle von Sonderurlaub weiterhin zur Zahlung des regelmäßigen Gehalts verpflichtet ist. Ein rechtlicher Anspruch auf bezahlten Sonderurlaub besteht zum Beispiel, wenn …

  • der Grund dafür, dass der Arbeitnehmer verhindert ist und daher keine Arbeitsleitung erbringen kann, in seiner Person liegt.
  • die Zeitspanne, in der der Arbeitnehmer seinen Arbeitsaufgaben nicht nachgehen kann, als verhältnismäßig unerheblich anzusehen ist. Genauere Angaben macht das Gesetz nicht. Manche Juristen betrachten bis zu zehn Tage Arbeitsausfall als verhältnismäßig unerheblich an, andere deutlich weniger. Über die Auslegung muss im Einzelfall entschieden werden.
  • der individuelle Arbeitnehmer nicht daran schuld ist, dass er seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann.

Kein Sonderurlaub bei äußeren Umständen

Besteht etwa bei der Verspätung der Bahn Anspruch auf Sonderurlaub? Schließlich können Arbeitnehmer wenig dafür, wenn die Bahn den Fahrplan nicht einhält. Die Verhinderung ist unverschuldet und auch vorübergehend.

Die schlechte Nachricht für Beschäftigte: Leider ist das kein Grund für Sonderurlaub. Denn das Wegerisiko für den Arbeitsweg trägt der Arbeitnehmer. Er trägt die Verantwortung dafür, Verzögerungen einzukalkulieren und rechtzeitig bei der Arbeit zu erscheinen.

Außerdem findet sich in Paragraf 616 BGB die Regelung, dass der Grund für die Arbeitsverhinderung in der Person des Arbeitnehmers liegen muss. Wenn die Bahn Verspätung hat, ist das jedoch kein individuelles, sondern ein die Allgemeinheit betreffendes Problem. Somit können Arbeitnehmer für solche Situationen keinen Sonderurlaub fordern.

Die Gründe für Sonderurlaub: Wann Arbeitnehmer Sonderurlaub bekommen können

Sofern im Tarifvertrag oder im individuellen Arbeitsvertrag nichts anderes geregelt ist, gelten für den Sonderurlaub die Regelungen des Paragrafen 275 Abs. 3 BGB und des Paragrafen 616 BGB.

Sonderurlaub für Arztbesuch

Wenn Sie krank sind, deshalb zum Arzt gehen und dieser Ihnen eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellt, greift das Entgeltfortzahlungsgesetz. Ein Arztbesuch an sich ist kein Grund für Sonderurlaub. Jedoch gibt es eine Ausnahme: Wenn sich der Arztbesuch mit den Arbeitszeiten nicht vereinbaren lässt, können Arbeitnehmer der Arbeit bezahlt fernbleiben. So ein Vorgehen sollte jedoch vorab mit dem Vorgesetzten abgesprochen werden.

Sonderurlaub zur Geburt des eigenen Kindes

Frauen, die ein Kind bekommen, sind aufgrund der gesetzlichen Mutterschutzfristen ohnehin von der Arbeit freigestellt – in der Regel ab sechs Wochen vor dem errechneten Geburtstermin.

Für Väter gilt das Mutterschutzgesetz dagegen nicht. Zum Ausgleich können sie sich jedoch auf Paragraf 275 und 616 BGB berufen und – sofern nicht anders vereinbart wurde, einen bis zwei Tage Sonderurlaub bekommen.

Sonderurlaub bei Hochzeit

Für die standesamtliche Trauung können Arbeitnehmer einen bezahlten Tag Sonderurlaub bekommen. Beschäftigte, die im Anschluss an die standesamtliche Trauung an einem anderen Tag kirchlich heiraten wollen, können auch für diesen Tag Sonderurlaub geltend machen.

In der Regel gelten die Regelungen nicht nur für Trauungen, sondern auch für das Eingehen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft.

Sonderurlaub bei Todesfall

Wenn ein naher Angehöriger stirbt, sind die meisten Verwandten nicht in der Lage, ihren Job auszuüben. Nicht nur die Trauer erschwert die Arbeit: Häufig muss man sich bei einem Sterbefall in der Familie um eine ganze Menge Formalitäten kümmern.

Daher können Arbeitnehmer bei einem Todesfall eines nahen Verwandten, wie Eltern, Ehepartner oder Kinder, einen Tag Sonderurlaub für die Beerdigung bekommen. Ob Beschäftigte auch bei einem Todesfall der Schwiegereltern oder ferner Verwandter Sonderurlaub bekommen können, ist noch nicht abschließend geklärt. Arbeitnehmer sollten im Zweifelsfall mit ihrem Arbeitgeber sprechen und versuchen, eine Einigung zu erzielen.

Sonderurlaub für Umzug

Die Frage, ob der Arbeitgeber Sonderurlaub für den Umzug gewähren muss, ist ebenfalls noch nicht abschließend geklärt. Müssen Arbeitnehmer umziehen, weil der aktuelle Job, zum Beispiel aufgrund einer Versetzung, Grund dafür ist, denken Juristen, dass das einen Tag Sonderurlaub rechtfertigen könnte.

Sonderurlaub und Tarif- oder Arbeitsverträge

Unabhängig davon, was im Gesetz steht, können sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf abweichende Regelungen verständigen. Der Arbeitgeber kann den Sonderurlaub zwar nicht pauschal verweigern, er kann jedoch ausschließen, für den Sonderurlaub bezahlen zu müssen.

Dabei hat er die Wahl, ob er grundsätzlich ausschließt, den Sonderurlaub zu bezahlen oder ob er dieses Recht nur einschränkt oder durch andere Regelungen ersetzt.

Beschäftigte, die sich nicht sicher sind, ob der Arbeitgeber alle gesetzlichen Vorschriften zum Sonderurlaub einhält, können zum Beispiel beim Betriebsrat oder der Gewerkschaft nachfragen. Bei konkreten, individuellen Problemen sollte man jedoch einen Anwalt aufsuchen.

Im Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes, Paragraf 29 TVöD, ist beispielsweise eine recht lange Aufzählung zu finden, unter welchen Umständen Arbeitnehmer bezahlten Sonderurlaub bekommen können. Dazu zählen:

  • Niederkunft der Ehefrau/der Lebenspartnerin im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes: ein Arbeitstag
  • Tod der Ehegattin/des Ehegatten, der Lebenspartnerin/ des Lebenspartners im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes, eines Kindes oder Elternteils: zwei Arbeitstage
  • Umzug aus dienstlichem oder betrieblichem Grund an einen anderen Ort: ein Arbeitstag
  • 25- und 40-jähriges Arbeitsjubiläum: ein Arbeitstag
  • Ärztliche Behandlung von Beschäftigten, wenn erforderliche diese während der Arbeitszeit erfolgen muss: erforderliche nachgewiesene Abwesenheitszeit einschließlich erforderlicher Wegezeiten
  • schwere Erkrankung
    • einer/eines Angehörigen, soweit sie/er in demselben Haushalt lebt: ein Arbeitstag pro Kalenderjahr
    • eines Kindes, das das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, wenn im laufenden Kalenderjahr kein Anspruch nach § 45 SGB V besteht oder bestanden hat: bis zu vier Arbeitstage pro Kalenderjahr
    • einer Betreuungsperson, wenn Beschäftigte deshalb die Betreuung ihres Kindes, das das 8. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder wegen körperlicher, geistiger oder seelischer bis zu Behinderung dauernd pflegebedürftig ist, übernehmen muss: bis zu vier Arbeitstage pro Kalenderjahr

Sofern sich keine anderen Regelungen in einem Tarifvertrag oder im Arbeitsvertrag finden, gelten für Arbeitnehmer die allgemeinen Vorschriften, die der Gesetzgeber für Sonderurlaub vorgesehen hat.

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