Was Sie über Rufbereitschaft wissen sollten
In den letzten Jahren haben sich auf dem deutschen Arbeitsmarkt immer neue Arbeitsmodelle etabliert. Zwar gibt es noch immer Arbeitgeber, die eine Anwesenheit zum Beispiel während der üblichen Bürozeiten verlangen. Spätestens seit der Pandemie müssen aber sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer flexibler werden.
Ein Arbeitsmodell, welches vor allem im Öffentlichen Dienst sowie im Dienstleistungsbereich anzutreffen ist, ist die Rufbereitschaft. Sie wird häufig mit dem Bereitschaftsdienst verwechselt, obwohl es zwischen den beiden Modellen bedeutende Unterschiede gibt. In diesem Beitrag erfahren Sie, was Sie über die Rufbereitschaft wissen sollten.
Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst – was sind die Unterschiede?
Während des Bereitschaftsdiensts muss sich der Arbeitnehmer in unmittelbarer Nähe zu seinem Arbeitsplatz aufhalten, um bei Bedarf sofort einsatzbereit zu sein. Das kann direkt in der Firma sein, etwa in einem Aufenthaltsraum, oder in der näheren Umgebung. Der Angestellte in Bereitschaftsdienst kann sich die Zeit privat vertreiben, muss jedoch so rasch wie möglich zur Tat schreiten können, wenn sein Einsatz notwendig wird. So wird der Bereitschaftsdienst zum Beispiel in Krankenhäusern praktiziert. Die Zeit, in der Sie Bereitschaftsdienst leisten, gilt als bezahlte Arbeitszeit.
Die Rufbereitschaft hat einen ähnlichen klingenden Namen, ist praktisch jedoch anders gestaltet. Hier kann der Arbeitnehmer während der Bereitschaftsphase freier entscheiden, wo er sich aufhält. Er kann zu Hause sein, im Fitnessstudio, in der Bibliothek oder auf dem Wochenmarkt. Er muss jedoch jederzeit erreichbar bleiben. Denn während der Rufbereitschaft sind Sie verpflichtet, innerhalb einer festgelegten Zeit zu reagieren und am Arbeitsplatz zu sein.
Rufbereitschaft ausführlich erklärt
Nachdem wir Ihnen kurz die Unterschiede von Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft aufgezeigt haben, sehen wir uns nachfolgend genauer an, was Rufbereitschaft für Arbeitnehmer und Arbeitgeber bedeutet.
Viele Arbeitnehmer haben ihr Leben darauf eingestellt, dass Sie auf Abruf rasch am Arbeitsort sein können. Denn nicht in jedem Beruf ist die Arbeitslast planbar. Denken Sie hier beispielsweise an Bestatter, Geburtshelfer oder Seelsorger. Diese und weitere Berufsgruppen arbeiten häufig in Rufbereitschaft. Für sie ist es Alltag, dass sie sich während des Dienstes für den Einsatz bereithalten. Häufig haben Arbeitnehmer in Rufbereitschaft wichtige Arbeitsutensilien, wie Werkzeug oder Arbeitskleidung, direkt in ihrem Pkw gelagert.
Weitere Berufsgruppen, die in diesem Arbeitsmodell tätig sind, sind unter anderem medizinisches Personal, Handwerker oder Techniker.
Ein paar Beispiele für Rufbereitschaft:
- Ein schwerer Unfall auf der Autobahn erfordert neben dem Notarzt verschiedene andere Helfer: Feuerwehr, Abschleppdienst, Seelsorger, Notarzt, Pflegepersonal oder Helikopterpilot – Menschen mit diesen Berufen müssen sich selbst in der Nacht sofort auf dem Weg zum Ort des Geschehens machen. Auch Journalisten, Fotografen oder Reporter müssen damit rechnen, dass ihr Arbeitgeber sie sofort zur Unfallstelle schickt.
- Eine Kuh bekommt in der Nacht Wehen. Eigentlich kein Problem, denn Landwirte begleiten regelmäßig die Geburten ihrer Tiere. Dieses Mal kommt es jedoch zu Komplikationen: Das Kälbchen liegt quer und die erschöpfte Mutter droht zu sterben. Jetzt muss sofort der Tierarzt her.
- Ein Berggasthaus wird nur bei sonnigem Wetter gut besucht. In der Regel kommt die Inhaberfamilie also allein zurecht. Sind jedoch Sonne und gute Wanderbedingungen vorhergesagt, werden zusätzliche Mitarbeiter benötigt. Es ist in Bergdörfern daher üblich, dass Köche oder Servicepersonal auf Abruf, also in Rufbereitschaft, arbeiten.
Es gäbe unzählige weitere Beispiele, die zeigen, dass viele Berufszweige auf Notdienst angewiesen sind. Aber was genau bedeutet es für den Arbeitnehmer, in diesem Modell beschäftig zu sein?
Rufbereitschaft – Vorteile und Nachteile für Arbeitnehmer
Ihre Freunde beneiden Sie um die scheinbar viele Freizeit? Dann erkenne diese wahrscheinlich nicht, dass Sie jederzeit Tennisschläger, Buch oder Kochlöffel gegen Uniform oder Werkzeugtasche tauschen müssen, wenn der entsprechende Anruf kommt. Dort, wo der Einsatzplan mehrere Mitarbeiter berücksichtigt, kann es jedoch tatsächlich längere Phasen mit mehr Freizeit geben.
Müssen Sie sich entscheiden, ob Sie eine neue Stelle annehmen sollten, in welcher Rufbereitschaft verlangt wird, machen Sie sich folgende Punkte bewusst:
Die Vorteile der Rufbereitschaft für den Arbeitnehmer
- Sie können während der Rufbereitschaft gegebenenfalls Dinge erledigen, die andere Arbeitnehmer nach der Arbeitszeit in Angriff nehmen müssen.
- Es steht Ihnen frei, mit den Kindern auf den Spielplatz zu gehen, die Eltern im Altersheim zu besuchen oder mit dem Hund eine Runde zu spazieren – sofern sie weiterhin in angemessener Zeit am Arbeitsort erscheinen können.
- Wochenenddienste und Nachtschichten, bei denen Sie immer vor Ort sein müssen, fallen in diesem Arbeitsmodell oft weg.
- Manche Arbeitgeber sind der Meinung, sie dürften ihre Angestellten jederzeit um Unterstützung bitten. Das wird mit der Rufbereitschaft unterbunden, denn diese regelt, wer von den Mitarbeitern wann auf Abruf arbeitet oder eben frei hat.
Die Nachteile der Rufbereitschaft für den Arbeitnehmer
- Wie bereits erwähnt ist es erforderlich, in der Nähe des Arbeitsortes zu bleiben. Der «Standby-Modus» bietet zwar theoretisch mehr Freizeit, schränkt jedoch die möglichen Freizeitbeschäftigungen ein. Paragliding, Motorradtouren oder die 50 Kilometer entfernt wohnende Familie zu besuchen, ist während der Rufbereitschaft nicht umsetzbar.
- Der Schlaf-Wach-Rhythmus kommt durch nächtliche Einsätze durcheinander. Das gilt umso mehr, wenn diese spontan anfallen. Wenn Sie zu Bett gehen, müssen Sie damit rechnen, dass in der Nacht ein Anruf kommen könnte und man Sie zügig am Arbeitsort erwartet.
- Die Bezahlung für Rufbereitschaft kann mager ausfallen.
Gilt Rufbereitschaft als Freizeit oder Arbeitszeit?
Wie Rufbereitschaft hinsichtlich der Arbeitszeit geregelt wird, sorgt immer wieder für Unsicherheit und Unstimmigkeiten. Hier werden von Arbeitnehmern häufig Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft verwechselt. Das böse Erwachen kommt schliesslich beim Blick auf die Lohnabrechnung.
Bei Bereitschaftsdienst muss der Mindestlohn bezahlt werden. Er wird als Arbeitszeit angesehen, da der Arbeitgeber verfügt, wo sich der Angestellte aufzuhalten hat. Dagegen muss bei Rufbereitschaft lediglich die tatsächlich geleistete Arbeit vergütet werden.
Wichtig: Bitte informieren Sie sich, wie die Situation in Ihrem individuellen Fall ausschaut. Wir können hier nur allgemeine Informationen geben. Einige Unternehmen zahlen auch einen kleinen Betrag bei Rufbereitschaft, andere erhöhen den Mindestlohn. Wir können deshalb keine allgemeingültigen, verbindlichen Angaben machen.
Finden Sie keine entsprechenden Informationen im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag, wenden Sie sich an den Betriebsrat oder einen auf Arbeitsrecht spezialisierten Fachanwalt.
Was bedeutet Rufbereitschaft für den Arbeitgeber?
In vielen Branchen ist es von Vorteil, jederzeit auf betriebliche Erfordernisse reagieren zu können. Wurde dieses Bedürfnis früher durch Schichtarbeit oder Bereitschaftsdienst abgedeckt, kommt heute immer öfter die Rufbereitschaft zum Zuge. Unternehmen profitieren davon vor allem in finanzieller Hinsicht.
Werden immer die gleichen Kollegen auf Abruf gesetzt oder müssen die Mitarbeiter zu oft Rufdienst leisten, kommt es früher oder später zu Unstimmigkeiten im Team. Auch wenn dieses Modell für Arbeitnehmer einige Vorteile mit sich bringt, ist es auf Dauer belastend und kann das Privatleben einschränken.
Der Arbeitgeber kann nicht willkürlich Mitarbeiter für Rufbereitschaft einteilen. Es bedarf einer genauen Planung, um sicherzustellen, dass die gesetzlich erlaubte Höchstarbeitszeit eingehalten wird.
Arbeitsgerichte müssen sich regelmässig mit dem Thema Rufbereitschaft befassen. Allgemein gilt: Ob es zulässig ist, Rufbereitschaft anzuordnen, hängt davon ab, für welchen Zeitraum sie vorgesehen ist. Dem Angestellten muss es möglich sein, sich regelmässig zu erholen und abschalten zu können. Deshalb darf maximal ein Achtel der Arbeitszeit als Rufbereitschaft anfallen.
Tipps zur Regelung der Rufbereitschaft
Um zu verhindern, dass sich Mitarbeiter benachteiligt fühlen und das Arbeitsklima unter diesem Arbeitsmodell leidet, kann der Arbeitgeber faire Regelungen treffen. Es steht ihm beispielsweise frei, einen Betrag für die Stunden auf Abruf zu zahlen oder einen zuverlässigen Mitarbeiter mit einem Bonus zu belohnen. Die gesetzlichen Ruhezeiten müssen außerdem beachtet werden: Der Arbeitnehmer muss trotz Rufbereitschaft genügend Zeit haben, um sich zu erholen.
Es ist vorteilhaft, eine Telefonliste zu erstellen. Ist es einem Mitarbeiter nicht möglich, einen Einsatz anzunehmen, könnte eine Vertretung einspringen. Verschiedene Varianten sollten verglichen und die optimale für das jeweilige Unternehmen gefunden werden.
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