Leidensgerechter Arbeitsplatz: Anspruch und Beispiele

Beschäftigte, die aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen oder infolge einer längeren Krankheit nicht mehr so belastbar sind, wünschen sich häufig einen leidensgerechten Arbeitsplatz, um wieder in den Arbeitsalltag zurückkehren zu können. Ein solcher leidensgerechter Arbeitsplatz muss jedoch nicht grundsätzlich vom Arbeitgeber angeboten werden. Er unterliegt besonderen Voraussetzungen – auf Seiten des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers. Wir haben einige der wichtigsten Punkte zusammengefasst.

Eine Frau an einem ergonomischen Schreibtisch, was ist ein leidensgerechter Arbeitsplatz?

Was ist ein leidensgerechter Arbeitsplatz?

Ein leidensgerechter Arbeitsplatz orientiert sich an den speziellen körperlichen oder psychischen Bedürfnissen eines Beschäftigten. Besonders für Mitarbeiter, die wegen einer Krankheit lange ausgefallen sind, kann ein leidensgerechter Arbeitsplatz eine gute Option sein. Denn mit einem solchen Arbeitsplatz kann es unter Umständen gelingen, dass der Beschäftigte wieder ins Unternehmen eingegliedert werden kann – und damit seinen Arbeitsplatz behält.

Daher ist ein leidensgerechter Arbeitsplatz nicht nur für Beschäftigte interessant. Unternehmern eröffnet er die Chance, Mitarbeiter, die gewisse Einschränkungen haben, weiterhin zu beschäftigen. So binden sie Fachkräfte langfristig ans Unternehmen.

Darüber hinaus kann diese Maßnahme auch zu einem positiven Arbeitgeberbild beitragen und daher als eine Maßnahme zum Employer Branding angesehen werden.

Leidensgerechter Arbeitsplatz: Beispiele

Ein leidensgerechter Arbeitsplatz, der die Bedürfnisse von Mitarbeitern mit gesundheitlichen Einschränkungen oder Behinderungen erfüllt, kann unter anderem die folgenden Merkmale aufweisen:

  1. Ergonomisch angepasster Arbeitsplatz: Sitzgelegenheiten, die übrigen Möbel und vor allem die Geräte, mit denen der Mitarbeiter arbeitet, werden speziell an die ergonomischen Besonderheiten des Beschäftigten angepasst.
  2. Technisch optimierter Arbeitsplatz: Wenn möglich, kann der Arbeitgeber bestimmte technische Hilfsmittel zur Verfügung stellen, um den Arbeitsplatz leidensgerecht auszugestalten. Das kann beispielsweise die Sprachsteuerung für bestimmte Programme sein oder ein Exoskelett, das Mitarbeiter in der Produktion körperlich entlasten kann.
  3. Barrierefreie Arbeitsumgebung: Rampen, Aufzüge oder etwa behindertengerechte Umkleiden und Toiletten können körperlich eingeschränkten Mitarbeitern helfen. Aber auch einfache Sprache kann eine Möglichkeit sein, den Arbeitsplatz barrierefrei zu gestalten.
  4. Reduzierte Arbeitsbelastung: Besonders nach langer Krankheit sind Mitarbeiter in der Regel froh, wenn nicht sofort voller Einsatz von ihnen verlangt wird. Ein leidensgerechter Arbeitsplatz kann sich also auch dadurch auszeichnen, dass die Arbeitsintensität reduziert wird – entweder für einen bestimmten Zeitraum oder generell.
  5. Flexible Arbeitszeit: Zusätzlich oder als Ersatz für eine Reduzierung der Arbeitszeit kann der Arbeitgeber darüber nachdenken, Beschäftigten, die wegen gesundheitlicher Einschränkungen nicht in gewohntem Umfang arbeiten können, flexible Arbeitszeiten zu bieten. So können sie sich die Arbeit einteilen und diese unterbrechen, wenn die Kräfte nicht mehr ausreichen.
  6. Ruhezonen oder Ruheräume: Geht es um die Schaffung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes, sollte nicht nur der Arbeitsplatz an sich betrachtet werden. Auch die übrige Gestaltung im Unternehmen kann eine Rolle spielen. So kann der Arbeitgeber zum Beispiel spezielle Rückzugsräume einrichten, in denen sich eingeschränkte Mitarbeiter ausruhen und wieder neue Kraft schöpfen können.

Das ist nur eine kleine Auswahl der Möglichkeiten, die Arbeitgeber haben, um einen leidensgerechten Arbeitsplatz zu schaffen. In erster Linie kommt es darauf an, was der Mitarbeiter benötigt und wie die Ressourcen im Unternehmen sind. Das führt dazu, dass man kaum allgemeine Aussagen über leidensgerechte Arbeitsplätze treffen kann. Betroffene Arbeitnehmer sollten daher das Gespräch mit ihrem Arbeitgeber suchen und einen individuellen Plan erarbeiten, wie die Rückkehr in den Job und die Weiterbeschäftigung gewährleistet werden kann. Dieses Gespräch erfolgt in der Regel ohnehin im Rahmen des betrieblichen Wiedereingliederungsmanagements.

Was passiert, wenn kein leidensgerechter Arbeitsplatz vorhanden ist?

Ist kein leidensgerechter Arbeitsplatz vorhanden, haben Arbeitnehmer verschiedene Möglichkeiten. In jedem Fall sollte zunächst geklärt werden, ob im Unternehmen ein Anspruch auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz besteht. 

Der Anspruch hängt unter anderem davon ab, ob die neue Tätigkeit, die der Mitarbeiter nun nach seiner Rückkehr aus der Krankheit ausüben möchte, im Arbeitsvertrag vereinbart ist.

Darüber hinaus sind auch die betrieblichen Gegebenheiten beim Arbeitgeber zu berücksichtigen. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber nicht in jedem Fall verpflichtet ist, seinem Arbeitnehmer einen leidensgerechten Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Es gibt verschiedene Gründe, die es rechtfertigen, keinen leidensgerechten Arbeitsplatz zu schaffen.

Gehen wir davon aus, dass der Anspruch auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz besteht, so sollte der betroffene Mitarbeiter zunächst das Gespräch mit seinem Arbeitgeber suchen. Häufig ist es sinnvoll, den Betriebsrat zu diesem Gespräch hinzuzuziehen.

In diesem Gespräch können Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie der erkrankte Mitarbeiter wieder in den Betriebsablauf integriert werden kann. In vielen Fällen geschieht dies ohnehin im Rahmen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements.

Weigert sich der Arbeitgeber, dem erkrankten Arbeitnehmer einen leidensgerechten Arbeitsplatz zuzuweisen, und bleiben die Gespräche erfolglos, bleibt oft nur der Gang zum Arbeitsgericht.

Arbeitnehmer sollten sich jedoch gut überlegen, ob sie ihren Arbeitgeber verklagen wollen. Denn eine solche Klage ist in der Regel der Anfang vom Ende des Arbeitsverhältnisses. 

Vielleicht ist es aber auch genau das, was der Arbeitnehmer will: eine Abfindung von seinem Arbeitgeber erhalten, der ihm keinen leidensgerechten Arbeitsplatz zuweisen will, und damit aus dem Unternehmen ausscheiden. 

In jedem Fall sollten die Schritte gut überlegt sein, da es schwierig sein kann, als kranker Arbeitnehmer einen neuen Arbeitgeber zu finden.

Wann besteht ein Anspruch auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz?

Einen Anspruch auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz haben Arbeitnehmer in vielen Fällen also nur dann, wenn es einen solchen Arbeitsplatz schon im Unternehmen gibt. Übrigens: Die Beweislast liegt hier beim Arbeitnehmer. Das bedeutet, dass der Beschäftigte im Zweifelsfall belegen muss, dass es diesen leidensgerechten Arbeitsplatz bei seinem Arbeitgeber schon gibt.

Außerdem muss der leidensgerechte Arbeitsplatz frei sein. Unter Umständen gibt es nicht nur einen Mitarbeiter, der diesen Arbeitsplatz gern für sich beanspruchen würde. In diesem Fall könnte es möglich sein, durch ein Rotationsprinzip den unterschiedlichen Mitarbeitern in regelmäßigen Abständen die Möglichkeit zu geben, den leidensgerechten Arbeitsplatz zu nutzen.

Ein Anspruch auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz kann sich aber auch aus Paragraf 241 II Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ergeben. Experten weisen darauf hin, dass dieser Paragraf nicht unbedingt nur für Mitarbeiter mit einer Schwerbehinderung gilt. Auch Beschäftigte, die andere gesundheitliche Einschränkungen haben, könnten unter diese gesetzliche Regelung fallen. Hier gilt: im Einzelfall konkret beraten und den Anspruch verbindlich klären lassen.

Leidensgerechten Arbeitsplatz beantragen: Was beachten?

Der erste Schritt, um einen leidensgerechten Arbeitsplatz zu bekommen, ist in vielen Fällen ein Gespräch mit dem Arbeitgeber. Ein solches Gespräch bietet sich ohnehin an, wenn man nach längerer Krankheit wieder an den Arbeitsplatz zurückkehren möchte, und wird meist vom Arbeitgeber, Betriebsarzt oder Betriebsrat initiiert.

In kleineren Unternehmen, in denen es diese Rollen nicht gibt und in denen vielleicht auch kein leidensgerechter Arbeitsplatz vorhanden ist, kann sich ein persönliches Gespräch mit dem Arbeitgeber ebenfalls lohnen. Gerade kleinere Betriebe sind häufig flexibler als große Konzerne. Unter Umständen lassen sich in einem Gespräch Möglichkeiten erörtern, wie der Mitarbeiter wieder in den Arbeitsablauf integriert werden kann.

Sinnvoll ist es, dass der Beschäftigte dabei möglichst konkret äußert, wie er sich seinen leidensgerechten Arbeitsplatz vorstellt. Das kann unter Umständen eine Grundlage für den Arbeitgeber sein, an der er sich orientiert, wenn er einen leidensgerechten Arbeitsplatz schafft oder einen vorhandenen umgestaltet.

In bestimmten Fällen können Beschäftigte ihren Anspruch auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz auch gerichtlich durchsetzen. Ob man diesen Weg jedoch wählen möchte, will gut überlegt sein. Das Verhältnis zum Arbeitgeber dürfte nach einer Klage vor dem Arbeitsgericht deutlich belastet sein. Eine gute und wertschätzende Zusammenarbeit ist nur noch selten möglich.

Kein leidensgerechter Arbeitsplatz: Kündigung?

Wenn der Mitarbeiter die Tätigkeiten, die im Arbeitsvertrag vereinbart sind, nicht mehr ausüben kann, könnte eine Kündigung der richtige Weg sein. Der Beschäftigte könnte auch in diesem Fall das Gespräch mit seinem Arbeitgeber suchen und diese Option ausloten. Unter Umständen hat er so auch noch die Option auf eine Abfindung.

Auch dieses Szenario sollte unbedingt mit einem Rechtsanwalt besprochen werden.

In bestimmten Fällen hat aber auch der Arbeitgeber das Recht, den Arbeitsvertrag zu kündigen, wenn es ihm nicht möglich ist, einen leidensgerechten Arbeitsplatz für den Mitarbeiter zur Verfügung zu stellen. Wenn der Mitarbeiter seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag wegen Krankheit nicht mehr erfüllen kann, könnte eine personenbedingte Kündigung gerechtfertigt sein.

Kein leidensgerechter Arbeitsplatz: Herabgruppierung

Einige Experten sehen in einer Herabgruppierung eine andere Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis aufrechtzuerhalten. Wenn der Arbeitgeber keinen leidensgerechten Arbeitsplatz für die im Arbeitsvertrag vereinbarten Tätigkeiten schaffen kann, könnte er dem Beschäftigten andere Tätigkeiten zuweisen. Wenn diese geringer bewertet sind als die ursprünglich vereinbarten, könnte eine Rückgruppierung oder Herabgruppierung denkbar sein.

In der Regel geht eine solche Herabgruppierung mit weniger Gehalt einher. Die weniger anspruchsvollen Aufgaben werden entsprechend geringer entlohnt. Für den Beschäftigten könnte es sich dennoch lohnen: Er bekommt zwar weniger Gehalt, kann dafür aber seinen Arbeitsplatz behalten. Gerade nach langer Krankheit oder mit körperlichen Einschränkungen ist dieser Vorteil nicht zu unterschätzen.

Bildnachweis: IJMphotos / Shutterstock.com

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