Krank in der Probezeit: Ist eine Kündigung wegen Krankheit zulässig?
Die ersten Wochen und Monate im neuen Job sind für die meisten Arbeitnehmer eine aufregende Zeit. Alles ist noch neu und ungewohnt – aber leider auch etwas unsicher, denn der reguläre Kündigungsschutz besteht während der ersten sechs Monate im neuen Arbeitsverhältnis noch nicht. Die Kündigung ist für beide Seiten erleichtert. Viele Beschäftigte machen sich deshalb Sorgen, dass sie krank werden und der Arbeitgeber ihnen deshalb kündigen könnte. Ob diese Sorge begründet ist und unter welchen Umständen eine Kündigung bei Krankheit in der Probezeit möglich ist, erfahren Sie hier.
Kündigungsschutz: Veränderte Regeln in der Probezeit
Viele neue Arbeitsverhältnisse beginnen mit einer Probezeit. Das ist nicht zwingend, sondern freiwillig nach § 662 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Arbeitgeber und Arbeitnehmer können sich im Arbeitsvertrag auf eine Probezeit einigen. Ihre Dauer liegt meist zwischen drei und sechs Monaten. Die Probezeit könnte theoretisch auch länger dauern, was aber kaum einen Sinn hätte: Der verminderte Kündigungsschutz, der die Probezeit auszeichnet, endet mit dem Erfüllen der Wartezeit von sechs Monaten.
Eine Probezeit im Arbeitsverhältnis dient beiden Vertragspartnern dazu, die neue Zusammenarbeit auszuprobieren. Beide Seiten können sich bei Bedarf schnell und unkompliziert voneinander trennen. Praktisch geht diese Möglichkeit eher zulasten des Arbeitnehmers, der vor einer Kündigung kaum geschützt ist. Wenn er seinen Job nicht gut macht oder scheinbar nicht gut ins Unternehmen passt, ist er seinen Job im Zweifel schnell wieder los.
Während der ersten sechs Monate in einer neuen Beschäftigung gelten im Hinblick auf eine mögliche Kündigung veränderte Regeln. Der reguläre Kündigungsschutz, den Beschäftigte nach dem Kündigungsschutzgesetz normalerweise haben, gilt in diesem Zeitraum nicht. Stattdessen ist die Kündigungsfrist auf 14 Tage verkürzt. Die Kündigung in der Probezeit muss außerdem nicht begründet werden – auch nicht vom Arbeitgeber.
Kündigung in der Probezeit wegen Krankheit: Zulässig oder nicht?
Da die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes während der ersten sechs Monate im neuen Job nicht greifen, ist eine Kündigung in diesem Zeitraum nicht nur prinzipiell zulässig, sondern auch stark erleichtert. Damit ist eine Kündigung in der Probezeit bei Krankheit und wegen Krankheit möglich. Eine Kündigung in der Probezeit wird auch als Wartezeitkündigung bezeichnet.
Völlig schutzlos sind Arbeitnehmer in den ersten Monaten im neuen Job trotzdem nicht. Die Kündigung wegen Krankheit in der Probezeit kann aus bestimmten Gründen unzulässig sein. Das wäre etwa der Fall, wenn der Arbeitgeber es versäumt hat, im Arbeitsvertrag eine Probezeit zu vereinbaren. Das ändert zwar nichts daran, dass während der ersten sechs Monate der volle Kündigungsschutz nicht gegeben ist. Der Arbeitgeber kann dann aber nicht mit der auf 14 Tage verkürzten Kündigungsfrist kündigen. Einen Grund muss er jedoch trotzdem nicht angeben, bis die Wartezeit von sechs Monaten erfüllt ist.
Eine sittenwidrige Kündigung ist unzulässig
Eine Kündigung in der Probezeit kann unwirksam sein, weil sie zu spät an den Beschäftigten übermittelt wird. Zwar ist eine Kündigung mit der verkürzten Frist noch am letzten Tag der Probezeit zulässig – kommt sie einen Tag zu spät, kann sie aber hinfällig sein, wenn der Arbeitgeber diesen Schritt nicht hinreichend begründen kann.
Arbeitnehmer können vor einer Kündigung auch durch andere gesetzliche Vorgaben geschützt sein. Insbesondere kann eine Kündigung nichtig sein, wenn sie gegen die guten Sitten gemäß § 138 BGB und § 242 BGB verstößt. Dann kann die Kündigung wegen Sittenwidrigkeit unwirksam sein.
Was bedeutet das – eine sittenwidrige Kündigung? Die „guten Sitten“ werden in der Rechtsprechung definiert als das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht denkenden Menschen“. Nach Ansicht der Rechtsprechung verlangt § 138 BGB die Einhaltung eines „ethischen Minimums“.
Praktisch kommt es selten vor, dass eine Kündigung sittenwidrig ist. Das wäre aber zum Beispiel dann denkbar, wenn eine Kündigung aus verwerflichen Gründen ausgesprochen wird – etwa, wenn der Arbeitgeber sich an seinem Mitarbeiter rächen oder ihm willkürlich schaden möchte.
Kündigung in der Probezeit wegen Krankheit: Auf die Umstände kommt es an
Grundsätzlich steht es Arbeitgebern also frei, ein neues Beschäftigungsverhältnis innerhalb der ersten sechs Monate nach eigenem Ermessen zu kündigen – auch wegen Krankheit des neuen Mitarbeiters. Dass diese Option praktisch besteht, heißt jedoch nicht, dass jeder Arbeitgeber sofort ein Kündigungsschreiben aufsetzt, wenn ein neuer Beschäftigter mal ein paar Tage fehlt. Ist der Arbeitgeber grundsätzlich zufrieden mit der Arbeit des Neuzugangs, wird er ihm kaum kündigen.
Anders kann es aussehen, wenn ein neuer Beschäftigter länger oder häufig krank ist. Das gilt besonders, wenn es sich andeutet, dass dahinter eine chronische Erkrankung steckt, mit der der Arbeitnehmer – und damit auch der Arbeitgeber – immer wieder konfrontiert sein könnte.
Wie verhält sich der erkrankte Mitarbeiter?
Praktisch macht es auch einen Unterschied, wie sich der erkrankte Mitarbeiter verhält. Sagt er dem Arbeitgeber sofort Bescheid, dass er nicht zur Arbeit kommen kann? Reicht er die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) rechtzeitig ein? Hält er den Arbeitgeber während seiner Genesung auf dem Laufenden?
Die Antworten auf solche Fragen entscheiden darüber mit, welchen Eindruck der Arbeitgeber von seinem Beschäftigten hat. Je verantwortungsbewusster und zuverlässiger der Arbeitnehmer sich verhält, desto besser wird das beim Arbeitgeber ankommen – und desto unwahrscheinlicher wird die Kündigung.
Einen Vorteil bietet gesetzlich Krankenversicherten die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU). Diesen digitalen Krankenschein müssen sie nämlich nicht selbst an ihren Chef weiterleiten. Der behandelnde Arzt übermittelt die eAU an die zuständige Krankenkasse. Diese stellt dem Arbeitgeber die benötigten Informationen zur Verfügung.
Falls Sie in einem neuen Beschäftigungsverhältnis häufiger oder länger krank sind, sollten Sie überlegen, ob Sie dem Arbeitgeber den Grund dafür mitteilen wollen. Dazu sind Sie nicht gezwungen, es kann aber sinnvoll sein, es trotzdem zu tun – um dem Arbeitgeber klarzumachen, dass hinter den Ausfällen keine chronische Krankheit steckt. Das kann mögliche Bedenken des Arbeitgebers ausräumen.
Krank in der Probezeit: Was gilt bei der Lohnfortzahlung?
Generell haben Arbeitnehmer im Krankheitsfall Anspruch auf Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber. Der Arbeitgeber muss erkrankten Mitarbeitern das reguläre Gehalt weiterzahlen, und zwar bis zu sechs Wochen lang.
Diese Vorgabe gilt nach § 3 Abs. 3 Entgeltfortzahlungsgesetz allerdings nicht während der ersten vier Wochen in einem neuen Arbeitsverhältnis. Betroffene Arbeitnehmer müssen trotzdem nicht völlig auf Einnahmen verzichten: Die Krankenkasse springt bei Arbeitsunfähigkeit in den ersten vier Wochen mit Krankengeld ein.
Nach Ablauf dieser vier Wochen muss der Arbeitgeber den Lohn im Krankheitsfall fortzahlen. Das Recht darauf besteht aus Sicht von Arbeitnehmern auch dann, wenn der Arbeitgeber zwischenzeitlich gekündigt hat. Wenn der Arbeitnehmer krank in der Probezeit war und der Arbeitgeber die Kündigung aus diesem Grund ausgesprochen hat, muss er den Lohn gegebenenfalls sogar über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus weiterzahlen, wenn der Betroffene noch nicht vollständig genesen ist. Eine Lohnfortzahlung ist auch in diesem Fall maximal sechs Wochen lang erforderlich.
Kündigung in der Probezeit bei Krankheit: Wie reagieren?
Sie haben eine Kündigung in der Probezeit während oder wegen Krankheit erhalten – und fragen sich jetzt, ob Sie etwas dagegen tun können? In solchen Fällen stellt sich die Frage, ob die Kündigung während Krankheit in der Probezeit zulässig war oder nicht. Diese Frage klären Sie am besten mit einem Anwalt. Lassen Sie sich beraten, welche Möglichkeiten Sie haben und wie aussichtsreich sie sind.
Bei Zweifeln an der Zulässigkeit einer Kündigung in der Probezeit bei Krankheit kann es sinnvoll sein, juristisch dagegen vorzugehen. Das können Sie mit einer Kündigungsschutzklage tun. Sie als Arbeitnehmer müssen jedoch bei einem Prozess beweisen, dass es sich um eine sittenwidrige Kündigung durch den Arbeitgeber gehandelt hat – was schwer zu beweisen sein kann.
Eine Kündigungsschutzklage kann nichtsdestotrotz selbst bei unklaren Aussichten nützlich sein. Wohl die wenigsten Arbeitgeber haben Interesse an einer langen und womöglich kostspieligen juristischen Auseinandersetzung. Viele lassen sich deshalb im Rahmen des Gütetermins darauf ein, scheidenden Mitarbeitern eine Abfindung zu zahlen, wenn diese im Gegenzug die Kündigung akzeptieren. In diesem Fall hätten Sie zwar Ihren Job nicht wieder, aber immerhin etwas Geld als Kompensation erhalten.
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