Fürsorgepflicht des Arbeitgebers: Was bedeutet sie und was kann man bei Verstößen tun?
Arbeitgeber sind dazu verpflichtet, ihre Mitarbeiter vor Gefahren am Arbeitsplatz zu schützen. Sie haben eine Fürsorgepflicht gegenüber ihren Beschäftigten und müssen dafür sorgen, dass die Arbeitsumgebung möglichst sicher ist. Worauf erstreckt sich die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers? Welche Rechte und Pflichten hat der Arbeitgeber diesbezüglich? Und was kann man als Arbeitnehmer tun, wenn der Arbeitgeber seine Fürsorgepflicht verletzt?
Fürsorgepflicht des Arbeitgebers: Was ist das?
In einem Arbeitsverhältnis trägt der Arbeitgeber die Verantwortung dafür, dass es seinen Mitarbeitern gut geht. Er hat ihnen gegenüber eine Fürsorgepflicht. Rechtlich handelt es sich dabei um eine Nebenpflicht. Die Hauptpflicht in einem Arbeitsverhältnis besteht für Arbeitnehmer darin, ihre vertragsgemäße Arbeitsleistung zu erbringen. Die Hauptpflicht des Arbeitgebers ist es, sie dafür zu entlohnen.
Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers hat den Zweck, Leben, Gesundheit und Eigentum seiner Beschäftigten zu schützen. Sie ist im Arbeitsrecht nicht an einer einzigen Stelle umfassend geregelt; ein bedeutender Paragraf ist jedoch § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Dort ist der Grundsatz von Treu und Glauben in Schuldverhältnissen geregelt. Bei einem Arbeitsverhältnis handelt es sich rechtlich um ein Schuldverhältnis – der Arbeitnehmer arbeitet und hat Anspruch auf Lohn; der Arbeitgeber zahlt Lohn und hat Anspruch auf die Arbeitsleistung des Beschäftigten.
Die Fürsorgepflicht darf nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt werden
Für Schuldverhältnisse gilt nach § 241 BGB: Jeder Teil (und damit jeder Vertragspartner in einem Arbeitsverhältnis) ist zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichtet. Zu den Interessen des Arbeitnehmers gehören ohne Zweifel seine Gesundheit und sein Wohlergehen.
Die Fürsorgepflicht gehört zu den Rechten und Pflichten des Arbeitgebers, die nicht verhandelbar sind. Sie kann etwa nicht durch eine Klausel im Arbeitsvertrag ausgeschlossen werden. Nach § 619 BGB ist das nicht erlaubt. Ebenso wenig darf die Fürsorgepflicht vertraglich eingeschränkt werden. Sie gilt zudem schon für Bewerber und endet nicht automatisch, wenn ein Beschäftigungsverhältnis endet. Zudem gilt sie auch, wenn ein Mitarbeiter teilweise oder vollständig im Home-Office arbeitet. Der Arbeitgeber muss dann aus der Ferne sicherstellen, dass bestimmte Vorschriften zur Sicherheit und der Prävention beachtet werden. Dazu kann er sich auch vor Ort einen Überblick über die Arbeitsumgebung verschaffen.
Fürsorgepflicht Arbeitgeber: Welche Aspekte sind betroffen?
Auf welche Aspekte erstreckt sich die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers? Es gibt nicht die eine Liste an Aufgaben, die Arbeitgeber im Rahmen ihrer Schutzverantwortung gegenüber Mitarbeitern erfüllen müssen. Vielmehr ergeben sich die praktischen Ausprägungen der Fürsorgepflicht aus verschiedenen Vorschriften zum Schutz von Arbeitnehmern. Relevant sind insbesondere:
- das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB)
- Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)
- Arbeitsstättenverordnung
- Arbeitszeitgesetz (ArbZG)
- Mutterschutzgesetz (MuSchG)
- Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
- Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)
- Unfallvorschriften der Berufsgenossenschaften
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die sich aus den genannten Vorschriften ergebenden Schutzvorschriften zu beachten und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Er hat außerdem eine Unterrichtungspflicht sowie eine Auskunftspflicht gegenüber seinen Beschäftigten, wenn es um sicherheitsrelevante Aspekte geht.
Eine wichtige Grundlage der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers bildet § 618 BGB. Dort wird festgelegt, dass der Dienstberechtigte Räume, Vorrichtungen und Geräte so einrichten und unterhalten muss, dass Beschäftigte vor Gefahren geschützt sind. Aus den oben genannten Vorschriften ergeben sich zahlreiche weitere Ansatzpunkte, die Sicherheit am Arbeitsplatz zu erhöhen und Beschäftigte zu schützen. Dazu zählen unter anderem die folgenden Beispiele.
Beispiele: So kann der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht nachkommen
- Er muss die rechtlichen Vorgaben zu Arbeitszeiten und Pausen beachten. Dazu gehört es, dass Beschäftigte pro Woche regulär höchstens 48 Stunden, ausnahmsweise maximal 60 Stunden arbeiten dürfen. Zwischen zwei Arbeitseinsätzen muss eine Ruhezeit liegen, die im Normalfall elf Stunden beträgt. Beschäftigte müssen ausreichend Pausen machen können, außerdem darf ihr Urlaubsanspruch nicht unterlaufen werden – etwa, indem sie zur selben Zeit in Rufbereitschaft sein sollen.
- Zum Gesundheitsschutz der Mitarbeiter kann eine Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz vorgeschrieben sein. Diese muss der Arbeitgeber durchführen – und gegebenenfalls Maßnahmen ergreifen, um die Sicherheit zu erhöhen.
- Der Arbeitgeber muss seine Mitarbeiter in sicherheitsrelevanten Aspekten unterweisen, um den Arbeitsschutz zu erhöhen. Er hat im Umkehrschluss das Recht dazu, dass seine Mitarbeiter die Vorgaben beherzigen.
- Schwangere Beschäftigte dürfen bestimmte Tätigkeiten nicht ausüben, die sie und ihr Kind gefährden könnten. Außerdem sind ihre Arbeitszeiten beschränkt. Sobald der Arbeitgeber von einer Schwangerschaft erfährt, muss er eine Gefährdungsbeurteilung durchführen.
- Der Arbeitgeber muss seine Mitarbeiter vor Diskriminierung und Mobbing schützen.
- Außerdem muss er die Vorgaben der Arbeitsstättenverordnung zum Schutz vor Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten berücksichtigen. Sie legen etwa fest, wie warm oder kalt es am Arbeitsplatz sein darf und wie laut. Auch der Nichtraucherschutz ist Teil der Arbeitsstättenverordnung.
- Der Arbeitgeber muss für seine Beschäftigten vorschriftsmäßig Steuern und Sozialversicherungsbeiträge abführen.
- Zur Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gehört auch der Schutz von persönlichen Daten der Mitarbeiter.
- Das Coronavirus gefährdet die Gesundheit und das Leben von Beschäftigten. Der Arbeitgeber muss Schutzmaßnahmen ergreifen. Prävention kann etwa bedeuten, dass Desinfektionsmittel bereitgestellt und Verhaltensregeln aufgestellt werden. Der Arbeitgeber kann für den nötigen Abstand zwischen Arbeitsplätzen sorgen, eine Maskenpflicht erlassen, Mitarbeitern Home-Office oder wechselnde Schichten ermöglichen.
- Maßnahmen zum Schutz des Eigentums von Beschäftigten können abschließbare Spinde oder Schreibtische umfassen. Arbeitsbereiche können zudem zugangsbeschränkt sein.
- Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer im Fall einer Kündigung darauf hinweisen, dass er sich rechtzeitig arbeitssuchend melden muss.
Der Arbeitgeber vernachlässigt seine Fürsorgepflicht: Das können Sie tun
Ob bewusst oder unbewusst: Dass Arbeitgeber ihre Fürsorgepflicht verletzen, ist im Berufsalltag keine Seltenheit. Für Arbeitnehmer kann das gefährlich werden – etwa, wenn der Arbeitgeber vorgeschriebene Schutzkleidung nicht bereitstellt, sie auf einer Baustelle in der Höhe ohne Gerüst arbeiten sollen oder gesetzliche Ruhezeiten immer wieder missachtet werden.
Fordern Sie den Arbeitgeber auf, nachzubessern
Was kann man in solchen Situationen als Arbeitnehmer tun? Zunächst einmal sollten Sie Ihren Arbeitgeber dazu auffordern, den ordnungsgemäßen Zustand wiederherzustellen. Weiß der Arbeitgeber gar nichts von den Problemen, müssen Sie ihn zunächst darauf aufmerksam machen. Wer überarbeitet ist, kann etwa eine Überlastungsanzeige stellen. Der Arbeitgeber muss dann Abhilfe schaffen. Wer von Kollegen gemobbt wird, hat ein Recht darauf, dass der Arbeitgeber sich um die Angelegenheit kümmert und gegebenenfalls arbeitsrechtliche Konsequenzen zieht.
Darf man die Arbeit verweigern?
Es kann sein, dass der Arbeitgeber die nötigen Maßnahmen auch nach einem Gespräch nicht ergreift. Welche Optionen Sie dann als Arbeitnehmer haben, hängt von den individuellen Umständen ab. Unmittelbar können Sie sich vor Gefahren schützen, indem sie einen unsicheren Arbeitsbereich verlassen. Es kann auch gerechtfertigt sein, die Arbeit einzustellen. Dieser Schritt muss jedoch verhältnismäßig sein: Das Risiko, das sich aus einer weiteren Tätigkeit ergeben würde, muss ausreichend groß sein. Ist das der Fall, haben Sie als Arbeitnehmer weiterhin einen Anspruch auf Ihren üblichen Lohn.
Kündigung nach einer Verletzung der Fürsorgepflicht durch den Arbeitgeber
Verletzt der Arbeitgeber seine Fürsorgepflicht, können Sie darauf auch mit einer Kündigung reagieren. Mitunter ist sogar eine außerordentliche und fristlose Kündigung gerechtfertigt. Es kann allerdings sein, dass Sie den Arbeitgeber zunächst abmahnen müssen, damit eine außerordentliche Kündigung wirksam ist. Dadurch bekommt der Arbeitgeber die Gelegenheit, nachzubessern. Tut er das nicht, sind Sie zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigt.
Weitere Schritte gegen den Arbeitgeber einleiten
Es steht Ihnen außerdem frei, den Verstoß des Arbeitgebers gegen Sicherheitsvorschriften bei der zuständigen Aufsichtsbehörde anzuzeigen. Falls Ihr Eigentum beschädigt wurde, können Sie gegebenenfalls Schadensersatz vom Arbeitgeber fordern. In besonders schweren Fällen von Verstößen gegen die Fürsorgepflicht ist auch ein Strafverfahren wegen Körperverletzung gegen den Arbeitgeber denkbar.
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