Frugalismus: Mit 40 nicht mehr arbeiten müssen
Die Idee hinter dem Frugalismus klingt verlockend: Statt bis zur Regelaltersgrenze zu arbeiten, versuchen Frugalisten schon mit 40 oder 45 nicht mehr arbeiten zu müssen. Das soll ihnen dadurch gelingen, dass sie einen Großteil ihres Einkommens sparen und gewinnbringend anlegen. Dabei muss man sich natürlich einschränken. Was hinter der Methode steckt, was Sie beachten sollten, wenn Sie sich für diesen Lebensstil entscheiden und was auch alle anderen Arbeitnehmer von den Strategien der Frugalisten lernen können, lesen Sie hier.
Definition Frugalismus: Was ist das überhaupt?
Der Frugalismus ist eine aus den USA stammende Idee. Die Anhänger verfolgen dabei das Ziel, schon sehr früh, meist um das 40. Lebensjahr herum, nicht mehr arbeiten zu müssen, weil sie finanzielle Unabhängigkeit erreicht haben.
Frugal bedeutet so viel wie „bescheiden, einfach oder genügsam“ und beschreibt damit den Lebensstil der Frugalisten schon ziemlich gut. Diese Personen versuchen möglichst bescheiden zu leben und so wenig Geld wie möglich auszugeben. In der Regel verzichten sie dabei auf große Anschaffungen und schicke Reisen und sparen lieber einen Großteil ihrer Einnahmen. Statt ausgedehnte Einkaufstouren zu unternehmen, reparieren sie lieber Dinge oder kaufen diese gebraucht ein.
In diesem Sinne hat der Frugalismus einige Berührungspunkte mit dem Minimalismus. Auch Menschen, die dem Minimalismus zugewandt sind, verzichten auf möglichst viele Dinge und versuchen nachhaltig zu leben. Im Gegensatz zu den Frugalisten geht es dabei jedoch nicht um finanzielle Unabhängigkeit und damit ihre Finanzen im weiteren Sinne, sondern eher um bewussten Konsumverzicht und Umweltschutz.
Eine andere Bezeichnung für den Frugalismus, die vor allem in den USA und dem amerikanischen Sprachraum genutzt wird, ist die Abkürzung FIRE. Die steht für „Financial Independence, Retire Early“ zu Deutsch also „finanzielle Unabhängigkeit, früher Ruhestand.“ Und das fasst recht gut die Hauptpunkte der Idee zusammen.
Wie funktioniert die Methode?
Grundprinzip des Frugalismus ist also, möglichst viel des monatlichen Einkommens anzusparen. Idealerweise so viel, bis das 25-fache des üblichen Jahresbedarfs zurückgelegt ist. Frugalisten gehen davon aus, dass diese Summe ausreicht, um das restliche Leben finanziell davon bestreiten zu können.
Wie hoch die monatliche Sparrate für den individuellen Frugalisten ausfallen muss, hängt von den Plänen im Alter und vor allem auch dem Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Berufsleben ab. Wer 30 Jahre bis zur gesetzlichen Rente überbrücken muss, muss eben ein anderes finanzielles Polster haben als Personen, die lediglich fünf Jahre früher in den Ruhestand gehen möchten.
Als Daumenregel gelten folgende Zahlen:
- Wer die Hälfte seines aktuellen monatlichen Einkommens ansparen kann und gewinnbringend anlegt, kann in der Regel innerhalb von 17 Jahren das 25-fache seines Jahresbedarfs ansammeln.
- Wer es sogar schafft, 75 Prozent des durchschnittlichen monatlichen Einkommens zu sparen, erreicht dieses Ziel schon innerhalb von sieben Jahren.
Übrigens geht es den Frugalisten auch nicht unbedingt darum, den Großteil ihres Lebens keine Arbeit zu haben. Sie möchten eher finanziell unabhängig sein, um ihre Zeit frei zu nutzen. Einige Menschen, die frugalistisch leben, machen sich selbstständig, nehmen aber nur diejenigen Aufträge an, die sie wirklich interessieren. Andere widmen ihre freie Zeit den Kindern oder ihrem Hobby. Ums Faulenzen geht es bei diesem Lebensentwurf in der Regel also nicht, eher darum, selbstbestimmt zu leben. Und dazu trägt eben die finanzielle Unabhängigkeit bei.
Tipps für Frugalisten: So kann die finanzielle Unabhängigkeit gelingen
Das klingt so verlockend, dass Sie nun selbst zum Frugalisten werden möchten und nach finanzieller Unabhängigkeit streben? Dann verraten wir nun ein paar Tipps, was es dabei zu beachten gibt.
Übrigens sind diese Tipps nicht nur für Personen geeignet, die schon mit 40 oder 45 Jahren aus dem Berufsleben ausscheiden möchten. Auch alle anderen Arbeitnehmer können davon profitieren, einen Teil ihres Einkommens geschickt anzulegen und damit einen größeren finanziellen Puffer zu haben. Es muss ja nicht gleich der Vorruhestand damit finanziert werden. Eine neue Waschmaschine oder ein größerer Urlaub tut es ja auch:
- Überblick verschaffen: Zunächst einmal muss klar sein, wie viel Geld Sie monatlich überhaupt zur Verfügung haben. Machen Sie dazu eine genaue Auflistung Ihrer Einnahmen und Ausgaben. Vielleicht trainieren Sie sich in diesem Zusammenhang sogar an, ein Haushaltsbuch zu führen. Es gibt aber auch einige Apps, mit denen man seinen monatlichen finanziellen Bedarf gut im Blick behalten kann.
- Zukunft planen: Wenn Sie wissen, wie viel Geld Sie pro Monat theoretisch zurücklegen könnten, kann es an den nächsten Schritt gehen. Dabei machen Sie sich Gedanken darüber, wie viel Geld Sie nach dem Ausscheiden aus dem Job monatlich ausgeben möchten. Außerdem wichtig ist die Frage, wie lange Sie von Ihren Ersparnissen leben möchten. Hier gilt die einfache Daumenregel: Je höher beide Zahlen, also monatliche Ausgaben und Dauer, umso größer muss die Summe sein, die Sie zurückgelegt haben. Um später keine bösen Überraschungen zu erleben, sollten Sie hierbei lieber großzügig planen. Es ist immer besser, ein wenig finanziellen Spielraum zu haben. Vor allem für unerwartete Ausgaben – die ja gerade im Alter vorkommen können.
- Ersparnisse einrechnen: Wenn Sie bereits Ersparnisse haben, sollten Sie diese in Ihre Pläne einbeziehen. Am besten, Sie legen diese so schnell wie möglich gewinnbringend an. Einige Finanzexperten raten dabei zu ETF-Sparplänen. Dieses Finanzprodukt soll sicherer als klassische Aktien sein, trotzdem aber eine ansehnliche Rendite bringen. Informieren Sie sich darüber, ob diese Anlageform für Sie passen könnte. Als angehender Frugalist müssen Sie sich ohnehin ein solides Wissen über den Aktienmarkt aneignen. Denn Personen, die frugalistisch leben, beschäftigen sich viel mit verschiedenen Anlagestrategien und dem Finanzmarkt. Vielleicht eignen sie sich dieses Wissen auch an, um keinen teuren Finanzberater zahlen zu müssen, sondern nehmen Ihre Geldanlage lieber selbst in die Hand.
Frugalistisch leben im Alltag
Von diesem eher theoretischen Unterbau abgesehen gibt es einige Tipps, die Sie in Ihren Alltag integrieren können, um Geld zu sparen. Probieren Sie doch einmal Folgendes aus:
- Große Anschaffungen überprüfen: Brauchen Sie tatsächlich ein eigenes Auto oder können Sie Ihre täglichen Wege auch mit den öffentlichen Verkehrsmitteln bestreiten? Noch mehr Geld sparen Sie sogar, wenn Sie gleich aufs Fahrrad umsteigen – das ist außerdem auch besser für die Gesundheit.
- Alternativen suchen: Wenn Sie jedoch nicht ohne Auto auskommen, um zum Arbeitsplatz zu kommen, können Sie nach anderen Optionen suchen. Vielleicht bietet sich eine Fahrgemeinschaft mit anderen Kollegen an. Auch das spart Geld und ist noch dazu gut für die Umwelt.
- Regelmäßige Ausgaben kontrollieren: Jeden Tag das Mittagessen in der Kantine zu kaufen, geht ganz schön ins Geld. Auch wenn es täglich nur ein paar Euro sind, kommt dabei über den Monat oder gar das gesamte Jahr einiges zusammen. Diese Ausgaben können Sie reduzieren, indem Sie Ihr Mittagessen zuhause selbst kochen und mit ins Büro nehmen. Weiterer Vorteil: Sie können das Essen so zubereiten, wie Sie es haben möchten.
- Zuhause ausmisten: Viele von uns haben einige Dinge zuhause, die wir gar nicht brauchen. Unter Umständen lauern in Schränken und Schubladen sogar echte Schätze, die sich zu Geld machen lassen. Genau dieses Geld kann man für seine Altersvorsorge nutzen. Zusätzlicher Pluspunkt: Das Zuhause wird aufgeräumter und man trennt sich von unnützem Ballast.
- Fixkosten gründlich durchgehen: Fachleute sind sich einig: Die Deutschen sind überversichert. Wenn Sie Geld sparen möchten, sollten Sie daher unbedingt auch Ihre Versicherungsverträge durchsehen. Häufig haben wir Versicherungen für Dinge, die wir gar nicht brauchen oder aber die Versicherungssumme ist viel zu hoch. Unabhängige Berater können Ihnen dabei helfen, Ihre Versicherungen zu optimieren. Alternative: Sie lesen sich selbst ein. Das ist aber noch nicht alles. Häufig sind wir nicht nur bei den Versicherungen überversorgt. Auch bei Handyverträgen lässt sich hin und wieder etwas sparen und vor allem der Vertrag für das Fitnessstudio, zu dem man schon seit Monaten nicht mehr geht, kann ohne weiteres gekündigt werden. Schauen Sie sich daher alle Fixkosten gründlich an und trennen Sie sich gerne auch großzügig von Versicherungen oder Verträgen. Wenn Sie die Dinge wirklich brauchen sollten, können Sie immer noch einen neuen Vertrag abschließen.
Kritik am Frugalismus
Bei all den positiven Seiten, die dieser Lebensstil zu bieten hat, wird auch immer wieder Kritik am Konzept des Frugalismus geäußert. Unter anderem folgende Punkte spielen dabei eine Rolle: Die Hälfte oder gar 70 Prozent oder mehr des monatlichen Einkommens anzusparen, gelingt wohl nur den wenigsten Arbeitnehmern. Gerade weniger qualifizierte Arbeitskräfte oder solche, die in Teilzeit arbeiten, können in der Regel eben nicht den Großteil ihres Einkommens sparen. Im Gegenteil, häufig kommen sie mit ihrem geringen Verdienst ohnehin nur schwierig über die Runden. Der Frugalismus ist daher eher ein Modell für gut ausgebildete Personen, die einen Job haben, in dem sie gut bis sehr gut verdienen.
Noch dazu müssen Personen, die frugalistisch leben möchten, ein gutes Wissen über Finanzprodukte und den Aktienmarkt besitzen. Heute reicht es in der Regel nicht mehr aus, sein Geld auf dem Tagesgeldkonto oder gar dem Sparbuch anzulegen, um später von der Rendite leben zu können.
Wer sein Geld für sich arbeiten lassen möchte, muss zu etwas risikoreicheren Anlageformen wie Aktien oder gar anderen Finanzprodukten greifen. Jedoch gilt hier, dass die Produkte mit der größeren Aussicht auf Rendite häufig auch diejenigen sind, die ein größeres Risiko für Totalverlust bergen. Vor allem in der Phase kurz vor dem Ausscheiden aus dem Job, können Turbulenzen an der Börse daher verheerend sein. Frugalisten sollten sich über dieses Risiko im Klaren sein. Auf der anderen Seite gibt es aktuell kaum andere Möglichkeiten, sein Geld gewinnbringend anzulegen.
Frugalisten müssen sich im Alter einschränken. Wer plant, sein gesamtes Leben mit 900 Euro auszukommen, muss die veränderten Lebensbedingungen im Alter beachten. Größere Reisen oder vielleicht kostenintensive Umbaumaßnahmen sind mit einem derart niedrigen Einkommen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht machbar. Auch das will bei der Entscheidung bedacht sein.
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