Bossing: Wenn der Vorgesetzte die Kollegen mobbt
Mobbing am Arbeitsplatz kann Arbeitnehmer in eine tiefe Krise stürzen. Noch dramatischer ist die Lage häufig, wenn der Vorgesetzte am Mobbing beteiligt ist oder das Mobbing sogar von ihm ausgeht. Dann spricht man auch von Bossing. Welche Gründe und Folgen Bossing haben kann und was Sie tun können, wenn der Chef mobbt, erfahren Sie hier.
Bossing: Was ist das?
Wie zufrieden Beschäftigte in ihrem Job sind, hängt nicht nur davon ab, mit welchen Tätigkeiten sie betraut sind, ob sie Verantwortung übernehmen dürfen oder das Gefühl haben, sich im Unternehmen weiterentwickeln zu können. Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen auch das Betriebsklima und das Verhältnis zum Rest des Teams. Genau daran hakt es bei vielen Arbeitnehmern. Besonders, wenn es zu Mobbing am Arbeitsplatz kommt, ist das für die Betroffenen oft überaus belastend.
Doch was ist mit Mobbing eigentlich genau gemeint? Mobben bedeutet laut Duden, „eine Arbeitskollegin, einen Arbeitskollegen ständig [zu] schikanieren, quälen, verletzen“ – und zwar „mit der Absicht, ihn beziehungsweise sie aus der Firma o.Ä. zu vertreiben“. Mobbing findet zwar häufig unter Kollegen statt, aber nicht ausschließlich. Nicht selten ist auch der Vorgesetzte daran beteiligt. Nach Daten des Statistischen Bundesamts war 2018 in jedem zweiten Mobbing-Fall am Arbeitsplatz der Vorgesetzte involviert. Dann spricht man auch von Bossing.
Bossing setzt sich aus den Wörtern Mobbing und Boss zusammen und stellt eine Form von Mobbing dar. Kommt es zu Mobbing durch den Chef, kann sich das subtil und weniger subtil äußern. Welche Merkmale darauf hindeuten, dass jemand am Arbeitsplatz vom Chef gemobbt wird, erfahren Sie im nächsten Abschnitt.
Mobbing durch Chef: Diese Anzeichen sprechen dafür, dass der Chef Sie mobbt
Mobbing vom Chef kann viele Formen annehmen. Kennzeichnend sind persönliche Angriffe, die in der Regel wenig damit zu tun haben, wie jemand seine Arbeit ausübt, sondern mit seiner Person an sich. Mobbing-Attacken durch den Vorgesetzten können sich zwar an inhaltlichen Aspekten aufhängen, sie schießen aber übers Ziel hinaus. Typisch ist, dass Bossing am Arbeitsplatz die Lage verschärft und die Beziehung zwischen Vorgesetztem und Arbeitnehmer weiter belastet. Ein mobbender Chef agiert nicht konstruktiv und strebt nicht danach, die für alle Beteiligten beste Lösung zu finden.
Das Mobbing durch den Chef hat dabei System; es geschieht meist in voller Absicht. Typischerweise hält Bossing über einen längeren Zeitraum an. Der mobbende Chef zielt direkt darauf ab, einen Mitarbeiter auszugrenzen und zu drangsalieren – häufig, weil er diesen zu einer Kündigung drängen will, weil eine arbeitgeberseitige Kündigung nicht ohne Weiteres möglich ist.
Dabei ist nicht jede kritische Bemerkung gleich als Bossing zu werten. Lässt der Chef jedoch immer wieder abfällige Kommentare fallen, kann es sich durchaus um Mobbing durch den Chef handeln. Wie sich Bossing am Arbeitsplatz äußern kann, zeigen Ihnen die folgenden Beispiele.
Beispiele für Bossing
- Der Chef kritisiert Sie immer wieder vor versammelter Mannschaft.
- Der Vorgesetzte macht sich über Sie lustig – schlimmstenfalls vor anderen.
- Er äußert Kritik wiederholt unsachlich oder ist in seiner Kritik unverhältnismäßig.
- Der Chef nimmt Ihnen Aufgaben weg oder betraut Sie nur mit Tätigkeiten, die Sie unterfordern.
- In sozialen Situationen ignoriert der Chef Sie demonstrativ – zum Beispiel, indem er Ihnen den Rücken zukehrt oder den Raum verlässt, wenn Sie ihn betreten.
- Ihnen werden wichtige Informationen vorenthalten.
- Der Vorgesetzte lässt Sie bewusst auflaufen.
- Sie werden für Dinge kritisiert, die gar nicht in Ihrem Verantwortungsbereich liegen.
- Der Vorgesetzte macht Sie bei höherrangigen Führungskräften schlecht.
- Ihrem Urlaubswunsch wird wiederholt aus fadenscheinigen Gründen nicht entsprochen.
- Der Chef überträgt Ihnen Aufgaben, die Sie nicht bewältigen können.
- Sie werden gegenüber Ihren Kollegen systematisch benachteiligt.
- Der Vorgesetzte äußert sich gegenüber Kollegen negativ über Sie.
Welche Ursachen kann Bossing haben?
Im Anfangsstadium von Bossing am Arbeitsplatz sind betroffene Arbeitnehmer häufig verunsichert: Machen sie ihre Arbeit nicht gut? Äußert der Vorgesetzte Kritik, führt das zumindest anfangs oft dazu, dass sich die Beschäftigten noch mehr anstrengen, ihren Job gut zu machen. Dabei hat Bossing mit den Leistungen der Mitarbeiter meist wenig zu tun. Mobbing durch den Chef hängt in der Regel mit Problemen zusammen, die sich aus der Persönlichkeit des Vorgesetzten ergeben, und weniger mit dem Verhalten des Mitarbeiters.
Bossing offenbart die Unzulänglichkeiten von Führungskräften, die ihrer Aufgabe nicht gewachsen sind. Wenn der Chef mobbt, kann das ein Mittel sein, seine eigenen Versäumnisse oder unzureichenden Kompetenzen zu überdecken. Häufig stecken hinter Bossing-Attacken Unsicherheit und ein geringes Selbstbewusstsein. Nicht selten wird der gemobbte Mitarbeiter als Bedrohung wahrgenommen – zum Beispiel, weil ihn der Vorgesetzte als möglichen künftigen Konkurrenten sieht. Damit der Mitarbeiter ihn nicht mittelfristig in den Schatten stellt, wird er drangsaliert und damit kleingehalten.
Mobbing durch Chef: Eigenkündigung kann das Ziel sein
In vielen Fällen hat Bossing den Zweck, einen Beschäftigten zu einer Eigenkündigung oder der Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrags zu drängen. Dazu kommt es häufig, wenn eine Kündigung des Mitarbeiters nicht ohne Weiteres möglich ist, weil es keine hinreichenden Gründe dafür gibt oder der Mitarbeiter besonders vor einer Kündigung geschützt ist.
Es kann ebenso sein, dass der unmittelbare Vorgesetzte der Einzige im Unternehmen ist, der den Mitarbeiter loswerden möchte. Weil der Chef weiß, dass er mit einer Kündigung nicht durchkommen würde, versucht er, den Mitarbeiter auf andere Weise aus der Firma zu drängen.
Mobbing durch Vorgesetzte kann ebenso das Resultat von hohem Druck auf die Führungskräfte sein, die sich für ihren Stress ein Ventil suchen, indem sie Untergebene schlecht machen. Nicht zuletzt liegt die Ursache für Bossing häufig in persönlicher Antipathie. Der Mitarbeiter hat dann objektiv nichts falsch gemacht, der Chef mag ihn aber einfach nicht und möchte ihn nicht mehr in seinem Team haben.
Bossing am Arbeitsplatz kann gravierende Folgen haben
Mobbing durch Vorgesetzte kann schwerwiegende Konsequenzen für die Betroffenen haben. Unmittelbar betroffen ist meist schon früh die Einstellung zum eigenen Job. Auch Arbeitnehmer, die ihren Job eigentlich gerne gemacht haben, möchten häufig nicht mehr zur Arbeit gehen. Abends graut es ihnen schon vor dem nächsten Morgen und der Montagmorgen ist für viele der schlimmste Zeitpunkt der Woche.
Oft wird das Selbstwertgefühl der Betroffenen durch die Attacken vom Chef in Mitleidenschaft gezogen. Auch die Leistung am Arbeitsplatz leidet typischerweise unter Bossing und Mobbing. Viele leisten nur noch das Nötigste und haben innerlich schon gekündigt.
Bossing hat in vielen Fällen körperliche und psychische Folgen. Nervosität gehört ebenso zu den möglichen Begleiterscheinungen wie Schlafstörungen, eine geringe Konzentrationsfähigkeit, Bauchschmerzen und andere Magen-Darm-Beschwerden. Die Betroffenen können Ängste entwickeln, Rückenschmerzen oder andere psychosomatisch beeinflusste Schmerzen.
Selbst Depressionen können durch Bossing am Arbeitsplatz begünstigt werden. Im schlimmsten Fall fallen die Betroffenen auch privat in ein tiefes Loch, aus dem sie ohne fremde Hilfe nicht wieder herauskommen. Manche greifen zu Alkohol oder Drogen, während andere beginnen, Medikamente in größeren Mengen einzunehmen.
Wie kann man sich gegen Mobbing durch Vorgesetzte wehren? Tipps für Betroffene
Wenn der Chef mobbt, fühlen sich viele Betroffene wie gelähmt und wissen nicht, wie sie mit der Situation umgehen sollen. Passiv bleiben sollten Sie allerdings nicht, wenn Sie von Bossing betroffen sind. Mobbing in jeder Form ist eine große Gefahr für Gesundheit und Wohlbefinden. Deshalb ist es wichtig, dass Sie aktiv werden und etwas tun, um Ihre Lage zu verbessern.
Der erste Schritt besteht darin, sich überhaupt darüber im Klaren zu werden, dass es sich um Bossing handelt. Nun können Sie sich überlegen, wie Sie darauf am besten reagieren – im Akutfall und langfristig. Wenn der Chef Sie das nächste Mal drangsaliert, ist wichtig, dass Sie möglichst keine Emotionen zeigen. Verschaffen Sie Ihrem Vorgesetzten keine Genugtuung, indem Sie sich anmerken lassen, dass seine Worte oder Taten Sie treffen.
Falls Sie die Situation am Arbeitsplatz sehr stark belastet, ist es eine Überlegung wert, sich vorübergehend Urlaub zu nehmen oder sich krankschreiben zu lassen. Dadurch gewinnen Sie etwas Abstand und können sich in Ruhe eine Strategie überlegen. Suchen Sie sich bei Mobbing vom Chef auch unbedingt Unterstützung – zum Beispiel in Ihrem privaten Umfeld, bei Ihrem Arzt, einer Selbsthilfegruppe oder einem Psychotherapeuten. Diese Personen können Ihnen dabei helfen, Ihre nächsten Schritte zu überlegen.
Bossing am Arbeitsplatz: Mögliche Ansätze und Strategien
Wie Sie auf Mobbing durch den Chef am besten reagieren können, hängt von Ihren individuellen Umständen und der Situation ab, aber auch davon, was für Sie auch tatsächlich infrage kommt. Die folgenden Ansätze sind grundsätzlich denkbar als Reaktion auf Bossing:
- Möglicherweise kommt ein offenes Gespräch mit dem Vorgesetzten infrage. Dabei kommt es darauf an, wie wahrscheinlich es ist, dass Ihr Chef Sie tatsächlich absichtlich so behandelt. Vielleicht ist er auch nur gestresst und lässt es an seinen Mitarbeitern aus – in diesem Fall kann ein Gespräch für Klärung sorgen. Wenn Sie hingegen glauben, dass die Schikane System hat, ist ein Gespräch mit dem Chef meist keine sinnvolle Option.
- Sie können sich an einen höherrangigen Vorgesetzten wenden. Das kann sinnvoll sein, wenn Sie sich relativ sicher sind, dass man dort nichts von den Übergriffen Ihres Chefs weiß und vermutlich in Ihrem Sinne reagieren wird. Wenn das Klima jedoch überall schlecht ist und Sie andere Führungspersonen nicht als vertrauenswürdig erlebt haben, scheidet diese Möglichkeit eher aus.
- Falls es im Unternehmen einen Betriebsrat gibt, ist dieser ebenfalls ein Ansprechpartner. Er kann zwischen Ihnen und Ihrem Vorgesetzten vermitteln, die Vorfälle an höhere Stellen weitergeben und auf Klärung drängen. Sammeln Sie am besten vorab Belege für das Bossing, indem Sie sich Notizen über die Geschehnisse machen. Auch Zeugenaussagen sind hilfreich.
- Wenn nicht wahrscheinlich ist, dass das Bossing aufhört, kann es eine Alternative sein, um eine Versetzung zu bitten. Vielleicht können Sie in einer anderen Abteilung oder einer anderen Niederlassung unterkommen.
- Sie können sich einen anderen Job suchen.
Wenn Sie versuchen wollen, die Angelegenheit zu klären und in Ihrem Job zu bleiben, sollten Sie wissen, dass das ein langer, kräftezehrender Weg sein kann. Besonders, wenn die Chancen auf Besserung von Anfang an schlecht sind, ist es deshalb manchmal besser, sich lieber gleich nach einer Stelle in einer anderen Firma umzusehen. Wenn Sie an Ihrem Job und den Kollegen hängen, ist es aber meist eine gute Idee, es zumindest eine gewisse Zeit lang zu versuchen.
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