Bildungsteilzeit – für wen kommt sie infrage?
Nach Schule, Ausbildung oder Studium muss die Zeit des Lernens nicht vorbei sein. Es gibt viele Gründe, die dafür sprechen, sich trotz einer Berufstätigkeit weiterzubilden oder sich grundlegende Qualifikationen anzueignen. Bildungsteilzeit kann eine Möglichkeit sein, Job und Weiterbildung unter einen Hut zu bringen. Welche Optionen es gibt und wer sie nutzen kann, erfahren Sie hier.
Bildungsteilzeit: Was ist damit gemeint?
Wer in Teilzeit arbeitet, verzichtet oft bewusst auf einen Vollzeitjob. Wer nicht jeden Tag acht Stunden arbeitet, hat mehr Zeit für sich, für die Familie, den Haushalt oder die Pflege von Angehörigen. Bildungsteilzeit folgt derselben Logik, nur dass die freie Zeit, die durch eine Verringerung des Arbeitspensums entsteht, für die persönliche Weiterbildung genutzt wird.
Wenn jemand Bildungsteilzeit macht, arbeitet er weniger, um sich nebenher bestimmte Qualifikationen aneignen zu können. Das kann bedeuten, dass der Beschäftigte seinen Berufsabschluss nachholt, ein Studium macht oder an einer Weiterbildung teilnimmt.
Dabei kann die Zeiteinteilung unterschiedlich sein: Viele Beschäftigte arbeiten nur noch halbtags und nutzen den restlichen Tag zum Beispiel für ein Studium. Es geht aber auch blockweise, indem man für die eigene Bildung eine längere Auszeit am Stück nimmt. Der Arbeitgeber stellt Betroffene dann im entsprechenden Zeitraum von der Arbeit frei, anschließend kehren sie an ihren oder einen vergleichbaren Arbeitsplatz im Unternehmen zurück.
Gibt es ein Recht auf Bildungsteilzeit?
Gerade für Arbeitnehmer jenseits der 30 ist es oft schwer, sich weiterzubilden oder überhaupt grundlegende Qualifikationen anzueignen und gleichzeitig genug Geld für den eigenen Lebensunterhalt zu haben. Viele Förderprogramme wie zum Beispiel BAföG sind an ein bestimmtes Höchstalter geknüpft. BAföG bekommen kann nur, wer beim Studienbeginn höchstens 30 Jahre alt ist.
Es gibt zwar Ausnahmen – bei BAföG zum Beispiel für ein Masterstudium –, aber für viele ältere Beschäftigte scheidet eine Weiterbildung aus, weil sie nicht wissen, wie sie die Bildungsmaßnahme finanzieren sollen. Wer einen Job hat, muss fürchten, dass er die Doppelbelastung nicht dauerhaft stemmen kann und ein Vollzeitjob deshalb nicht machbar ist. Die Stunden zu reduzieren muss man sich aber erst einmal leisten können.
Besonders für Fälle, in denen eine andere Förderung ausscheidet, ist Bildungsteilzeit eine vielversprechende Option – zumindest mit einem entsprechenden Entgegenkommen des Chefs. Aber gibt es auch ein Recht darauf? Nein, für die allermeisten Beschäftigten nicht. Sie können sich zwar individuell mit Ihrem Arbeitgeber auf Bildungsteilzeit einigen, sind aber in aller Regel auf dessen Zustimmung angewiesen.
Bildungsteilzeit in Österreich
In Österreich ist das anders; dort ist man beim Thema Bildungsteilzeit schon weiter als in Deutschland. Arbeitnehmer können in Österreich Bildungsteilzeit nehmen, um sich aus- oder weiterzubilden. Für die Dauer der Bildungsmaßnahme bekommen sie einen Lohnersatz für die ausgefallenen Stunden im Job.
Um Bildungsteilzeit nehmen zu können, müssen österreichische Beschäftigte bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Das betrifft etwa den Umfang, in dem die reguläre Arbeitszeit reduziert werden muss (25 bis 50 Prozent), die Mindest-Arbeitszeit pro Woche (zehn Stunden) und die Mindestzeit, die man wöchentlich für die Aus- oder Weiterbildung investieren muss (zehn Stunden). Eine entsprechende Aus- oder Weiterbildung darf zwischen vier und 24 Monaten dauern. Dabei ist der Arbeitsplatz sicher, wenn man sich mit dem Arbeitgeber auf Bildungsteilzeit geeinigt hat.
Für wen sich Bildungsteilzeit lohnen kann
Nicht alle Arbeitnehmer sind gut qualifiziert. Manchen mangelt es an grundlegenden Qualifikationen. Sie haben zum Beispiel keinen Schul- oder Berufsabschluss und sind als Quereinsteiger zu ihrem Beruf gekommen. Dafür sind sie inzwischen zwar durch ihre Erfahrung qualifiziert, allerdings kann sich ein Jobwechsel oder ein beruflicher Aufstieg schwierig gestalten.
Auch für besser qualifizierte Beschäftigte kann sich eine zusätzliche Bildungsmaßnahme eignen, weil sich ihr Beruf verändert. Veränderte Umstände in der Arbeitswelt, insbesondere die Digitalisierung, führen dazu, dass Tätigkeiten perspektivisch anders ablaufen als bisher, außerdem fallen mittel- und langfristig viele Jobs ganz weg. Wer sich über eine Bildungsteilzeit weiterbildet, bleibt zukunftsfähig. Er kann sich neues Wissen aneignen oder auf andere Bereiche spezialisieren, die zukunftsträchtiger sind als das bisherige Feld.
Eine Bildungsteilzeit zu machen kann sich auch dann lohnen, wenn Sie Positionen anstreben, die Sie mit Ihren bisherigen Qualifikationen nicht erreichen können. Wer über eine Bildungsteilzeit nachdenkt, sollte die Vor- und Nachteile gut abwägen. Ob sich Bildungsteilzeit lohnt oder nicht, hängt nicht zuletzt davon ab, was Ihnen Ihr Arbeitgeber anbietet.
IG Metall: Bildungsteilzeit in tarifgebundenen Betrieben
In Deutschland hat der Großteil der Beschäftigten kein Recht auf Bildungsteilzeit. Auch gibt es keine vorgeschriebenen Modalitäten, an die sich Arbeitgeber bei einer Bildungsteilzeit halten müssten. Für Mitglieder der Gewerkschaft IG Metall ist das, zumindest in der Metall- und Elektroindustrie, anders.
Die IG Metall hat schon im Jahr 2015 mit Arbeitgebern Bildungsteilzeit-Modelle ausgehandelt. In verschiedenen Bildungstarifverträgen auf Länderebene sind die Details festgehalten. Wer bei der Gewerkschaft Mitglied ist und in einem entsprechenden Bereich arbeitet, kann sich darauf berufen. Ob der Arbeitgeber die Maßnahme für erforderlich oder sinnvoll erachtet, spielt nur eine untergeordnete Rolle – möglich ist die Bildungsteilzeit auch dann, wenn nur der Arbeitnehmer selbst sie machen möchte. Allerdings sind die Konditionen besser, wenn der Arbeitgeber die Bildungsteilzeit für betrieblich nötig hält. Wer sich auf eigene Faust weiterbildet, muss die Kosten nämlich in aller Regel selbst tragen.
Zeitguthaben ansparen mit einem Bildungskonto
Über eine solche Bildungsteilzeit können Arbeitnehmer zum Beispiel studieren oder ihren Meister machen. Dazu einigen sie sich mit dem Arbeitgeber auf eine individuelle Bildungsvereinbarung, die für bis zu sieben Jahre gelten kann.
Üblicherweise wird dabei ein Bildungskonto mit Zeitguthaben angelegt. Arbeitnehmer zahlen in Form von geleisteten Stunden auf das Bildungskonto ein, sie können aber auch finanzielles Guthaben wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld dort hinterlegen. Das angesammelte Guthaben können sie dann für eine Bildungsteilzeit nutzen, indem sie sich entweder neben dem Beruf weiterbilden oder das phasenweise in Vollzeit tun.
Arbeitnehmer, die eine solche Bildungsteilzeit machen, bekommen währenddessen weiterhin mindestens die Hälfte ihres regulären Einkommens. Danach haben sie die Gewissheit, dass sie auf eine gleichwertige Vollzeitstelle zurückkehren können. Ähnliche Regelungen gibt es in weiteren Branchen, darunter der Textilindustrie, in Textilen Dienstleistungen und der Feinstblechpackungsindustrie.
Bildungsteilzeit: Zuschuss vom Arbeitgeber?
Wer darüber nachdenkt, sich in höherem Alter noch einmal weiterzubilden oder grundlegend zu qualifizieren, muss sicherstellen, dass er trotzdem genug Geld zum Leben hat. Genau dieses Problem hält viele Arbeitnehmer davon ab, noch einmal eine Bildungsmaßnahme zu beginnen. Anders als in jungen Jahren gibt es meist keine staatliche Unterstützung, außerdem hat man als Berufstätiger in der Regel deutlich höhere Lebenshaltungskosten als es bei den meisten Auszubildenden und Studenten der Fall ist.
Die Finanzierung einer Bildungsmaßnahme ist gleich doppelt problematisch: Erstens kostet das Angebot selbst Geld. Und zweitens muss man Gehaltseinbußen hinnehmen, wenn man für die Weiterbildung die Stunden im Job reduziert.
Es kann allerdings sein, dass der Arbeitgeber sich an den Kosten für die Bildungsteilzeit beteiligt. Verpflichtet ist er dazu zwar nicht, aber er kann es freiwillig tun. In manchen Firmen werden dafür zum Beispiel Gelder genutzt, die für Altersteilzeit vorgesehen sind. Ein Gespräch mit dem Chef kann sich also lohnen.
Weiterbildung nach dem Qualifizierungschancengesetz
Wer sich weiterbilden möchte, kann das unter Umständen mit einer Förderung nach dem Qualifizierungschancengesetz tun. Das Förderprogramm WeGebAU („Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unternehmen“) der Bundesagentur für Arbeit gab es schon seit dem Jahr 2006. Anfang des Jahres 2019 wurde es durch das Qualifizierungschancengesetz abgelöst beziehungsweise zu veränderten Bedingungen fortgeführt. Die Fördermöglichkeiten sind jetzt noch breiter; so ist eine Förderung anders als zuvor etwa auch in größeren Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern möglich.
Die Grundlage für die Förderung einer Weiterbildung nach dem Qualifizierungschancengesetz findet sich in § 82 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Daraus ergibt sich auch die Zielsetzung der Förderung. Das Angebot richtet sich demnach an Arbeitnehmer, die berufliche Tätigkeiten ausüben, die durch Technologien ersetzt werden können oder die anderweitig von einem grundlegenden Wandel betroffen sind. Die Förderung soll solchen Beschäftigten dabei helfen, sich an die veränderten Strukturen anzupassen und ihre beruflichen Kompetenzen auszubauen, um so besser für die Zukunft gewappnet zu sein. Außerdem richtet sich eine Förderung nach dem Qualifizierungschancengesetz an Arbeitnehmer, die eine Weiterbildung in einem Bereich machen möchten, in dem es Engpässe gibt.
Voraussetzungen für eine Förderung nach dem Qualifizierungschancengesetz
Wer die Voraussetzungen erfüllt, kann sich im laufenden Arbeitsverhältnis weiterbilden. Dabei erhält er weiterhin einen Teil des Gehalts, außerdem werden die Weiterbildungskosten ganz oder teilweise übernommen. Zu den Anforderungen gehört unter anderem,
- dass in der Weiterbildung Fähigkeiten und Kenntnisse vermittelt werden, die in rein arbeitsplatzbezogenen Anpassungsfortbildungen nicht ausreichend vermittelt werden können,
- die Weiterbildungsmaßnahme mindestens 120 Stunden umfasst,
- der Berufsabschluss (bei einem Minimum von zwei Jahren Ausbildungsdauer) mindestens vier Jahre zurückliegt und
- man nicht in den letzten vier Jahren bereits an einer entsprechenden Förderung teilgenommen hat.
Die Bedingungen, zu denen eine Förderung nach dem Qualifizierungschancengesetz möglich ist, hängen vom Einzelfall ab. Faktoren sind unter anderem das Alter der Beschäftigten, ihre Ausbildung beziehungsweise ihre vorhandenen Qualifikationen und die Größe des Unternehmens.
Bildungsteilzeit nehmen: Sprechen Sie mit Ihrem Arbeitgeber
Wenn Sie Interesse daran haben, Bildungsteilzeit zu nehmen, sollten Sie mit Ihrem Arbeitgeber darüber sprechen. Auch wenn Ihnen nicht bekannt ist, dass Ihr Arbeitgeber ein solches Modell anbietet, kann es sich lohnen, direkt nachzufragen. Sie können sich auch an den Betriebsrat wenden, falls es in Ihrer Firma einen gibt.
Ohnehin haben Sie einmal im Jahr ein Recht darauf, mit Ihrem Arbeitgeber ein Qualifizierungsgespräch über Weiterbildung zu führen. Auch in diesem Zuge könnten Sie auf das Thema Bildungsteilzeit zu sprechen kommen. Vielleicht kommt Ihnen Ihr Arbeitgeber entgegen, wenn die geplante Bildungsmaßnahme ihm ebenfalls nützt.
Falls Sie sich mit Ihrem Arbeitgeber auf eine Bildungsteilzeit einigen können, sollten Sie klären, wie genau die Modalitäten sind. Wie viele Stunden machen Sie dann noch pro Woche? Was ist mit dem Gehalt? Leistet der Arbeitgeber möglicherweise einen Zuschuss zum Bildungsangebot? Wie lange soll die Bildungsteilzeit dauern? Und haben Sie eine Garantie, dass Sie im Anschluss auf Ihren alten oder einen gleichwertigen Arbeitsplatz zurückkehren können? Halten Sie die Vereinbarung mit Ihrem Arbeitgeber am besten schriftlich fest, um einen Nachweis darüber zu haben.
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