Arbeitszeugnis: Das steckt hinter typischen Formulierungen
Wie hat sich der Mitarbeiter gemacht? Was hat er geleistet, wie hat er sich verhalten? Diese Informationen gehen aus einem Arbeitszeugnis hervor. Für Personalverantwortliche sind Arbeitszeugnisse ein wichtiges Kriterium bei der Besetzung einer offenen Stelle. Ob ein Arbeitszeugnis gut oder doch eher mittelmäßig ausgefallen ist, können viele Arbeitnehmer jedoch nicht genau einschätzen. Dieser Artikel hilft Ihnen dabei, die Formulierungen eines Arbeitszeugnisses aufzuschlüsseln.
Worüber gibt ein Arbeitszeugnis Aufschluss?
Arbeitnehmer haben einen Anspruch darauf, dass ihnen ein ehemaliger Arbeitgeber nach dem Ende der beruflichen Zusammenarbeit ein Arbeitszeugnis ausstellt. Das Dokument enthält Informationen über die Rahmenbedingungen des Beschäftigungsverhältnisses und in der Regel auch eine Leistungsbeurteilung. Auch das Sozialverhalten des ehemaligen Mitarbeiters wird im Arbeitszeugnis bewertet.
In jedem Fall muss ein Arbeitszeugnis nach Paragraf 109, Absatz 2 der Gewerbeordnung Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit enthalten. Enthält das Arbeitszeugnis darüber hinaus keine Angaben, handelt es sich um ein einfaches Arbeitszeugnis. Aussagekräftiger ist jedoch ein qualifiziertes Arbeitszeugnis. Hier finden sich auch Einstufungen von Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers.
Auf Verlangen muss der Arbeitgeber ein solches qualifiziertes Zeugnis ausstellen. Nicht nur Beschäftigte in Voll- und Teilzeit können ein Arbeitszeugnis verlangen. Auch Minijobber, Praktikanten und Volontäre haben grundsätzlich Anspruch darauf. Das gilt allerdings nicht für freie Mitarbeiter.
Die meisten Arbeitszeugnisse klingen auf den ersten Blick positiv. Das hängt damit zusammen, dass sie grundsätzlich wohlwollend formuliert sein müssen. Außerdem müssen die getroffenen Behauptungen wahr sein.
Typische Bestandteile eines Arbeitszeugnisses
Es gibt keine festen Regeln, wie ein Arbeitszeugnis aufgebaut sein sollte. Dennoch existieren Gepflogenheiten, die eingehalten werden sollten. Weicht das Zeugnis davon ab, kann das beim Personaler Fragezeichen hervorrufen.
Ein Arbeitszeugnis beginnt mit einer Einleitung. In den ersten Sätzen nennt der Arbeitgeber die Details des Beschäftigungsverhältnisses. Er geht darauf ein, in welchem Zeitraum, in welcher Position und in welchem Bereich der Arbeitnehmer für ihn tätig war. Dazu gehört auch eine mehr oder weniger ausführliche Beschreibung der ausgeübten Tätigkeiten.
Im qualifizierten Zeugnis folgt nun die Leistungsbeurteilung. Hier geht es unter anderem um Fähigkeiten, Erfolge und das Engagement des Arbeitnehmers. Anschließend bewertet der Arbeitgeber auch das Sozialverhalten des ehemaligen Mitarbeiters. Wie hat er sich gegenüber seinen Vorgesetzten und Kollegen verhalten? Wie war sein Verhalten in Bezug auf Kunden und Geschäftspartner?
Zum Ende des Arbeitszeugnisses findet sich eine Beendigungsformel. Sie enthält Informationen darüber, wer das Ende des Beschäftigungsverhältnisses initiiert hat. Damit wird erklärt, warum das Arbeitszeugnis ausgestellt wird. Anschließend drückt der Arbeitgeber in der Regel seinen Dank für die Mitarbeit und das Bedauern über das Ausscheiden des Mitarbeiters aus. Außerdem gehören Zukunftswünsche in ein typisches Arbeitszeugnis.
Formulierungen im Arbeitszeugnis: So sind sie zu deuten
Das Arbeitszeugnis muss wohlwollend formuliert sein und darf gleichzeitig nur wahre Informationen enthalten. Dieser Spagat führt in vielen Fällen dazu, dass sich ein Arbeitszeugnis vermeintlich gut liest – aber bei genauerer Betrachtung deutlich wird, dass der ehemalige Arbeitgeber doch weniger zufrieden war als zunächst gedacht.
Für Arbeitnehmer ist die Entschlüsselung der Geheimcodes in Arbeitszeugnissen oft schwierig. Das gilt umso mehr, wenn das Zeugnis von einer Person ausgestellt wurde, die keine Erfahrung im Schreiben von Arbeitszeugnissen hat. Formulierungen können dann ungewollt negativ klingen, weil sie nicht überschwänglich positiv sind.
Ein qualifiziertes Arbeitszeugnis enthält immer eine Leistungsbewertung. Dabei geht der Arbeitgeber oft auf Details ein; ein entscheidender Satz findet sich jedoch in ähnlicher Form nahezu immer: „Sie hat die ihr übertragenen Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt.“ Das würde der Schulnote 1 entsprechen – ein Beleg für ein auch insgesamt sehr gutes Arbeitszeugnis.
Feine Nuancen geben Ausschlag darüber, welcher Note die Bewertung entspricht:
- „Sie hat die ihr übertragenen Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt“ = Note 2
- „Sie hat die ihr übertragenen Aufgaben zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt“ = Note 3
- „Sie hat die ihr übertragenen Aufgaben zu unserer Zufriedenheit erledigt“ = Note 4
- „Sie hat die ihr übertragenen Aufgaben weitgehend zu unserer Zufriedenheit erledigt“ = Note 5
- „Sie hat sich bemüht, die ihr übertragenen Aufgaben zu unserer Zufriedenheit zu erledigen“ = Note 6
Formulierungsbeispiele und was sie bedeuten
Ob ein Arbeitszeugnis positiv oder negativ ist, geht immer aus dem Gesamteindruck hervor. Dennoch geben einzelne Formulierungen Aufschluss darüber, in welche Richtung die Beurteilung geht. Deshalb finden Sie hier einige Beispiele.
„Sie wusste sich gut zu verkaufen“ = Sie ist arrogant aufgetreten und war sehr von sich überzeugt.
„Den ihr übertragenen Aufgaben begegnete sie mit Interesse“ = Ihr fehlte Eigeninitiative, außerdem blieben ihre Leistungen hinter den Erwartungen zurück.
„Bei seiner Arbeit zeigte er viel Fleiß“ = Gute Ergebnisse sind dabei jedoch nicht entstanden.
„Unsere Kunden schätzten Frau XY sehr“ = Das war jedoch nicht unbedingt zum Vorteil der Firma, denn Frau XY hat kein Verhandlungsgeschick bewiesen.
„Kollegen, Vorgesetzten und Kunden gegenüber verhielt er sich einwandfrei“ = eine befriedigende Bewertung; dass die Vorgesetzten erst an zweiter Stelle genannt werden, deutet auf Probleme hin.
„Ihre Aufgaben erledigte sie sorgfältig“ = eine ausreichende Beurteilung, es fehlen Worte wie „stets“ und „äußerst“.
„Die ihr übertragenen Aufgaben erledigte sie stets ordnungsgemäß“ = dabei mangelte es aber an Einsatzbereitschaft und Eigeninitiative.
„Er hat unseren Erwartungen in jeglicher Hinsicht entsprochen“ = eine positive Formulierung, die der Note 2 entspricht.
„Dem üblichen Zeitdruck und Arbeitsaufwand war er gewachsen“ = darüber hinaus konnte er jedoch nicht mit Stress umgehen und zusätzliches Potenzial zeigen.
„In den Themenbereich hat er sich zügig eingearbeitet und dabei Engagement gezeigt“ = Note 3.
Wie Sie ein gutes Arbeitszeugnis von einem schlechten Arbeitszeugnis unterscheiden
Ein gutes Zeugnis enthält viele sehr positive Formulierungen und Adjektive. Die Details entscheiden darüber, welcher Gesamteindruck entsteht. Hält sich der Arbeitgeber bei allen Aspekten sehr kurz, kann das nahelegen, dass das Arbeitszeugnis nicht sonderlich positiv zu verstehen ist. Dasselbe gilt im umgekehrten Fall, wenn nämlich Dinge in die Länge gezogen werden, die wenig bedeutsam sind. Genauso ist es wenig schmeichelhaft, wenn Selbstverständliches erwähnt wird, aber darüber hinaus nicht viel aus dem Zeugnis hervorgeht.
Passive Formulierungen legen nahe, dass es dem Mitarbeiter an Eigenständigkeit und Engagement gefehlt hat. Formulierungen wie „hat sich bemüht, …“, „im Rahmen seiner Möglichkeiten“ oder „zeigte Verständnis und Interesse“ sind nicht positiv zu werten, sondern deuten auf eine mangelhafte oder unzureichende Leistung hin. Übertreibungen können ein Hinweis auf Ironie und somit negativ gemeint sein.
Auch die Reihenfolge, in der die Aspekte genannt werden, gibt Hinweise auf die Zufriedenheit des Arbeitgebers. In Bezug auf die Beurteilung des Sozialverhaltens gilt etwa, dass das Verhalten gegenüber dem Vorgesetzten vor dem Verhalten gegenüber Kollegen und Kunden genannt werden sollte. Ist es umgekehrt, kann das auf Probleme mit dem Chef hindeuten. Das gilt auch in der Beschreibung der Tätigkeiten. Wird die Leistung des Mitarbeiters bei entscheidenden Tätigkeiten erst nach der Einstufung von weniger wichtigen Aufgaben genannt, erweckt auch das den Eindruck, dass es Probleme gab.
Enthält das Zeugnis alle wichtigen Aspekte?
Ein Arbeitszeugnis ist nicht nur aussagekräftig in Bezug auf die Informationen und Beurteilungen, die es enthält. Auch das, was nicht gesagt wird, lässt Rückschlüsse darauf zu, wie sich ein Arbeitnehmer verhalten hat oder wie seine Leistungen waren. In manchen Fällen lassen Arbeitgeber bewusst bestimmte Aspekte außen vor, die eigentlich ein wichtiger Bestandteil eines Arbeitszeugnisses sind. So umgehen sie Dinge, zu denen sie nichts Positives zu sagen haben.
So ist es denkbar, dass das Arbeitszeugnis keine Angaben zum Verhältnis zum Vorgesetzten enthält. Das legt nahe, dass das Verhältnis problematisch war. Es fällt auch auf, wenn die Dankesformel fehlt. Zwar ist kein Arbeitgeber dazu verpflichtet, seinen Dank für die Mitarbeit des scheidenden Angestellten auszudrücken – zum guten Ton gehört es allerdings. Enthält das Zeugnis keinen entsprechenden Satz, ist der Arbeitgeber womöglich froh, dass der Mitarbeiter weg ist.
Auch fehlende einzelne Wörter können einen großen Unterschied machen. Wünscht der Arbeitgeber dem ehemaligen Mitarbeiter etwa „beruflich und privat viel Erfolg“, kann das widerspiegeln, dass der Erfolg bisher ausgeblieben ist. Üblich ist es, „weiterhin viel Erfolg“ zu wünschen. Gerade weil die Abschlussformel keine Pflicht ist, kommt ihr eine vergleichsweise große Bedeutung zu. Je deutlicher das Bedauern des Arbeitgebers spürbar ist, desto eher handelt es sich um eine gute oder sehr gute Beurteilung.
Was das Datum verrät und wann der Kündigungsgrund genannt werden sollte
Arbeitnehmer achten oft nicht darauf, auf wann das Arbeitszeugnis datiert ist. Dabei ist auch das wichtig. Im besten Fall entspricht das Datum dem letzten Arbeitstag. Häufig werden Arbeitszeugnisse entsprechend zurückdatiert. Fragen kommen hingegen auf, wenn das Datum deutlich vom Datum des letzten Arbeitstags abweicht. Die Vermutung liegt dann nahe, dass es Streitigkeiten um den Inhalt des Arbeitszeugnisses gab. Selbst, wenn sich diese zugunsten des Arbeitnehmers gelöst haben, kann das ein schlechtes Licht auf diesen werfen. Wirklich zufrieden war der Arbeitgeber dann nämlich nicht.
Nicht immer geht aus dem Arbeitszeugnis hervor, warum genau das Beschäftigungsverhältnis geendet hat. Um den Kündigungsgrund zu nennen, ist die ausdrückliche Zustimmung des Mitarbeiters nötig. Dennoch kann es sich nach Absprache mit dem Arbeitgeber lohnen, den Kündigungsgrund zu nennen – nämlich dann, wenn Sie dadurch besser wegkommen.
Das ist entweder der Fall, wenn Sie das Unternehmen verlassen haben, oder wenn es Gründe gab, die nichts mit Ihrer Person zu tun haben – etwa bei einer betriebsbedingten Kündigung. Wurde das Beschäftigungsverhältnis im „gegenseitigen Einvernehmen“ beendet, wird das jedoch meist als Rausschmiss auf Umwegen interpretiert. Falls der Grund der Kündigung Ihnen nicht negativ auszulegen ist, sollten Sie den ehemaligen Arbeitgeber also bitten, ihn im Arbeitszeugnis zu nennen.
Schlechtes Zeugnis – was tun?
Ein schlechtes Arbeitszeugnis ist für Arbeitnehmer nicht nur ärgerlich, sondern kann auch ein echtes Hindernis auf dem Weg zu einem neuen Job sein. Deshalb kann es sinnvoll sein, ein schlechtes Zeugnis anzufechten. Bevor Sie dabei jedoch formelle Wege gehen, suchen Sie lieber erstmal das Gespräch mit dem früheren Arbeitgeber. Nicht immer sind negative Zeugnisse tatsächlich negativ gemeint. Gerade, wenn das Zeugnis von jemandem ausgestellt worden ist, der darin keine Praxis hat, kann es ungewollt negativ klingen. In diesem Fall reicht meist schon ein klärendes Gespräch.
Bitten Sie Ihren ehemaligen Arbeitgeber darum, das Zeugnis entsprechend zu ändern. Wenn Sie damit nicht weiterkommen, steht Ihnen als letztes Mittel immer noch der Rechtsweg zur Verfügung. Wenn Sie gute Argumente haben, können Sie durch ein gerichtliches Verfahren erreichen, dass der Arbeitgeber Ihnen ein besseres Zeugnis ausstellen muss.