4-Tage-Woche: Das Modell der Zukunft?
Von einer guten Work-Life-Balance können viele Arbeitnehmer nur träumen. Statt mehr Zeit für sich, Familie, Freunde und Hobbys zu haben, machen viele Beschäftigte immer mehr Überstunden. Und weil der Druck immer größer wird, permanent erreichbar zu sein, können sie auch abends und am Wochenende nicht richtig abschalten. Wäre es da nicht schön, weniger zu arbeiten – zum Beispiel im Rahmen einer 4-Tage-Woche? Viele Arbeitnehmer sind empfänglich für die Idee, vier Tage zu arbeiten und drei Tage frei zu haben. Aber lässt sich das überhaupt umsetzen? Welche Vor- und Nachteile hat es? Was ist mit dem Lohn – und dem Urlaubsanspruch?
Lange Arbeitszeiten führen zu Stress und einer schlechten Work-Life-Balance
Lange gab es am klassischen Arbeitszeitmodell hierzulande nichts zu rütteln: Die Arbeitswoche dauert für die meisten Arbeitnehmer von Montag bis Freitag, vor allem, wenn sie Bürojobs ausüben. In manchen Bereichen verschieben sich die Arbeitsstunden teilweise auch auf das Wochenende. Gleichzeitig ist die Arbeitsbelastung zumindest subjektiv für viele Beschäftigte in den letzten Jahrzehnten gestiegen. Zum beruflichen Stress kommt privater Stress, wenn durch häufige Überstunden kaum noch Zeit für das Privatleben bleibt. Viele Arbeitnehmer machen zwar schier endlose To-Do-Listen und streben stets nach einem besseren Zeitmanagement. Letztlich ist Zeit aber begrenzt. Egal, wie sehr wir sie optimieren – alles kann man manchmal einfach nicht unter einen Hut bringen.
Wenn zu wenig Zeit für private Angelegenheiten und Entspannung bleibt, liegt das häufig an langen Arbeitszeiten. Wer lange Tage im Büro hat und sich dann noch um Haushalt, Kinder und private Verpflichtungen kümmern muss, hat kaum einen Ausgleich. Das kann dazu führen, dass man sich ständig fühlt, als würde man allem hinterherhinken. Permanente Erschöpfung und ein Burnout, aber auch gesundheitliche Probleme können die Folgen sein.
Ein Ansatz, um manche Probleme der modernen Arbeitswelt abzumildern, ist die 4-Tage-Woche. Die Idee ist simpel: Statt an regulär fünf Tagen arbeitet man nur noch vier Tage pro Woche. Immer mehr Firmen stehen dem Konzept einer Vier-Tage-Woche offen gegenüber. Wo Vier-Tage-Wochen ausprobiert werden, sind sie häufig ein Erfolg – sowohl aus Sicht von Beschäftigten, denen mehr Freizeit bleibt, als auch aus Sicht von Arbeitgebern, deren Mitarbeiter tendenziell gesünder, zufriedener und motivierter sind.
4-Tage-Woche: Gute Erfahrungen bei Pilotprojekten
Perpetual Guardian, eine Fondsgesellschaft aus Neuseeland, hat seine 240 Angestellten etwa gebeten, statt fünf Tagen nur noch vier Tage zu arbeiten. Die Beschäftigten erhielten trotzdem ihren vollen Lohn. Die Geschäftsführung versprach sich von dem Pilotprojekt eine gesteigerte Produktivität und einen besseren Fokus ihrer Mitarbeiter, für die Beschäftigten winkten eine bessere Work-Life-Balance und ein besseres psychisches Wohlbefinden. Auch die Zahl der Autos auf den Straßen, so der Gedanke, ließe sich mit einer 4-Tage-Woche reduzieren.
Das Ergebnis des Versuchs: Vorgesetzte meldeten eine gleichbleibende Leistung ihrer Teams trotz verringerter Arbeitszeit, mehr Kreativität und oft höhere Qualität der Arbeit ihrer Mitarbeiter. 78 Prozent der Mitarbeiter waren zufrieden mit ihrer Work-Life-Balance, im Vergleich zu 54 Prozent vor dem Versuch. Gleichzeitig sank das Stresslevel der Beschäftigten um sieben Prozent. Viele Angestellte waren zufriedener mit ihrem Job und haben sich nach eigener Aussage bei der Arbeit stärker eingebracht. Der Geschäftsführer Andrew Barnes war so überzeugt von der 4-Tage-Woche, dass er die Bewegung 4 Day Week Global ins Leben gerufen hat und damit anderen Unternehmen helfen möchte, ihre Arbeitszeitmodelle zu verändern.
Deutsche Arbeitnehmer wünschen sich eine kürzere Arbeitswoche
Auch in anderen Teilen der Welt und in Deutschland experimentieren viele Firmen mit einer Vier-Tage-Woche, oft mit vielversprechenden Ergebnissen. Gleichzeitig werden von vielen Beschäftigten Forderungen nach einer Reduzierung der Arbeitszeit laut. In einer Umfrage von The Workforce Institute at Kronos Incorporated, bei der auch deutsche Arbeitnehmer befragt wurden, wünschten sich vier von fünf Befragte aus Deutschland eine kürzere Arbeitswoche.
29 Prozent der deutschen Befragten sprach sich für eine Vier-Tage-Woche aus, wenn sie trotzdem dasselbe Gehalt erhielten. Jeder Fünfte (21 Prozent) fand, die ideale Arbeitswoche solle nur drei Tage umfassen. Auch Gehaltskürzungen würden viele Befragten für eine geringere Arbeitszeit in Kauf nehmen. Ein Fünftel der Teilnehmer war mit der Fünf-Tage-Woche zufrieden.
Vorteile und Nachteile der 4-Tage-Woche
Wenn Arbeitgeber eine Vier-Tage-Woche einführen, kann das sowohl Vor- als auch Nachteile haben. Die folgenden Aspekte sprechen für beziehungsweise gegen eine kürzere Arbeitswoche.
Vorteile einer Vier-Tage-Woche
Bei einer Vier-Tage-Woche bleibt Arbeitnehmern mehr Zeit für ihr Privatleben. Termine und Erledigungen können auf den freien Tag gelegt werden, wodurch das Wochenende stärker für Entspannung genutzt werden kann. Eine bessere Work-Life-Balance kann die mentale Gesundheit verbessern und das Stressempfinden verringern. Wer ausgeglichener ist, wird tendenziell seltener krank. Das bedeutet auch für Arbeitgeber weniger Fehltage ihrer Beschäftigten.
Viele Arbeitnehmer, die eine Vier-Tage-Woche haben, sind im Job zufriedener. Die verkürzte Arbeitszeit kann die Motivation steigern und zu einem höheren Engagement der Beschäftigten führen. Auch ein höheres Level an Kreativität konnte in Pilotversuchen immer wieder bei den Mitarbeitern beobachtet werden.
Besonders Millennials und die Generation Z wünschen sich Umfragen zufolge flexiblere Arbeitszeiten. Für Arbeitgeber geht es darum, kompetente Fachkräfte – und damit Führungskräfte von morgen – anzulocken. Ein Arbeitgeber, der seinen Mitarbeitern eine 4-Tage-Woche ermöglicht, kann dadurch für Bewerber attraktiver sein. Auch bestehende Mitarbeiter identifizieren sich tendenziell stärker mit dem Unternehmen, wenn es ihnen bessere Arbeitsbedingungen ermöglicht. Eine 4-Tage-Woche kann für Arbeitgeber einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz bedeuten.
Dort, wo eine Vier-Tage-Woche versuchsweise eingeführt wurde, haben sich dadurch oft keine Produktivitätseinbußen ergeben – selbst dann nicht, wenn die Arbeitszeit insgesamt reduziert wurde. Viel Arbeitszeit fließt in Tätigkeiten, die wenig effizient sind, zum Beispiel lange und unproduktive Meetings. Auch häufige Unterbrechungen und Konzentrationsprobleme durch lange Arbeitszeiten können die Produktivität in einer Fünf-Tage-Woche verringern. Optimiert man die Arbeitsbedingungen, indem man etwa bestimmte Meetings streicht, können Mitarbeiter in kürzerer Zeit mehr schaffen.
Für Arbeitnehmer kann eine Vier-Tage-Woche mit Gehaltseinbußen einhergehen. Die Nettoeinbußen sind durch das progressive Steuersystem jedoch oft vergleichsweise gering. Außerdem können Arbeitgeber Einkommensverluste durch geldwerte Vorteile wie Gutscheine oder Zuschüsse ein Stück weit ausgleichen. Würden mehr Unternehmen eine 4-Tage-Woche einführen, hätte das nicht zuletzt positive Auswirkungen für die Umwelt und das Klima. Der Verkehr würde sich tendenziell verringern, Bahnen und Busse wären leerer.
Nachteile einer Vier-Tage-Woche
Eine Vier-Tage-Woche hat nicht nur Vorteile, sondern kann auch mit Nachteilen einhergehen. Je nachdem, wie ein Arbeitgeber die 4-Tage-Woche konkret umsetzt, kann die verkürzte Woche zu mehr Stress bei den Mitarbeitern führen. Sie müssen in weniger Zeit dasselbe schaffen. Müssen die wegfallenden Stunden an den anderen Tagen zumindest teilweise zusätzlich gearbeitet werden, kann das zu einer Überlastung der Mitarbeiter führen.
Wer an vier Tagen länger als sonst an der Arbeit ist, kann den zusätzlichen freien Tag womöglich kaum genießen. Bei der Arbeit bleibt weniger Zeit für kleine Pausen, die die Produktivität anschließend steigern und zu mehr Wohlbefinden beitragen können. Für eine kurze Unterhaltung mit einem Kollegen ist zum Beispiel womöglich zu viel zu tun. Das kann auch zulasten des Zusammenhalts im Team gehen.
Je nachdem, wie die 4-Tage-Woche ausgestaltet ist, müssen Arbeitnehmer mit einem teilweisen Lohnverzicht leben. Das könnte gerade bei schlecht bezahlten Jobs zum Problem werden. Für Unternehmen kann eine Vier-Tage-Woche ein Nachteil sein, wenn die Mitarbeiter dadurch schlechter für Kunden und Geschäftskontakte oder für Rückfragen durch die Geschäftsführung zu erreichen sind. In manchen Branchen kann der Verlust eines Werktags zudem ein Wettbewerbsnachteil sein.
Ist eine Vier-Tage-Woche überhaupt umsetzbar?
Ist eine 4-Tage-Woche überhaupt realistisch? Diese Frage kommt immer wieder auf. Viele Versuche haben gezeigt, dass es funktionieren kann – und oft sogar zu sehr guten Ergebnissen führt. Mitunter stehen der Einführung einer Vier-Tage-Woche allerdings ganz praktische Hürden im Weg. In Bereichen, in denen bestimmte Mitarbeiter für Kollegen oder Dritte grundsätzlich erreichbar sein müssen, ist eine 4-Tage-Woche schwierig. Dasselbe gilt, wenn es sehr viele verpflichtende Meetings gibt. Das Arbeitspensum muss zudem auch in vier Tagen zu bewältigen sein, ohne, dass die Arbeitsbelastung zu hoch wird.
Letztlich ist eine Vier-Tage-Woche in vielen Bereichen nur eine Frage der richtigen Planung. Wenn der Arbeitsalltag schlanker wird und sich die Mitarbeiter auf wirklich wichtige Aufgaben konzentrieren können, kann das zu einem höheren Output und damit einer Leistungssteigerung führen. Das führt unweigerlich dazu, dass bestimmte Aufgaben und Bestandteile des Arbeitsalltags – wie die erwähnten Meetings – infrage gestellt werden müssen, wenn eine Vier-Tage-Woche eingeführt werden soll.
Es ist die Aufgabe der Geschäftsführung, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass eine Vier-Tage-Woche funktionieren kann. Ihre Einführung sollte immer gut bedacht und von langer Hand geplant sein. In einer Übergangsphase kann ausprobiert werden, ob der Plan auch praktisch umsetzbar ist. Wenn nötig, kann nachjustiert werden. Es ist sinnvoll, die Mitarbeiter in die Planung einer 4-Tage-Woche einzubeziehen. Sie haben oft die besten Ideen für praktische Lösungen, weil es sie selbst betrifft. Erreichbarkeitsprobleme können etwa durch ein Schichtsystem und eine enge Absprache der Beschäftigten gelöst werden.
Nicht zuletzt ist entscheidend, dass die Mitarbeiter an ihrem freien Tag wirklich frei haben. Wenn sie regelmäßig vom Chef oder Kollegen angerufen oder per Mail kontaktiert werden, wird aus dem freien Tag schnell ein unbezahlter Arbeitstag.
Umsetzung: Wie wird eine 4-Tage-Woche ausgestaltet?
Wenn eine 4-Tage-Woche in einem Unternehmen etabliert werden soll, stellen sich für Arbeitnehmer und Arbeitgeber ganz praktische Fragen. Für viele Aspekte gibt es keine pauschale Lösung oder gesetzliche Vorgaben, sondern es kommt darauf an, worauf sich Arbeitgeber und ihre Mitarbeiter einigen.
Arbeitgeber legen etwa fest, ob sich die Arbeitszeit insgesamt durch eine Vier-Tage-Woche reduziert oder ob die Arbeitszeit nur anders verteilt wird. Geregelt werden muss bei einer 4-Tage-Woche auch, welcher Tag frei ist. Meetings oder bestimmte Tätigkeiten können darüber bestimmen, wann der beste Zeitpunkt für den freien Tag ist. Es muss nicht zwangsläufig immer derselbe Tag sein, manchmal kann auch flexibel von Woche zu Woche geschaut werden, wann es am besten passt.
Was ist bei einer 4-Tage-Woche mit Urlaub? Während das gesetzliche Minimum an Urlaubstagen bei einer Fünf-Tage-Woche bei 20 Tagen im Jahr liegt, verringert es sich bei einer Vier-Tage-Woche auf 16 Tage. Beschäftigte haben dadurch trotzdem mindestens vier Wochen Urlaub – sie müssen schließlich auch weniger Urlaubstage nehmen, um eine ganze Woche Urlaub zu haben. Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) sieht bei einer Fünf-Tage-Woche einen Urlaubsanspruch von 30 Tagen pro Jahr vor. Der Urlaubsanspruch bei einer 4-Tage-Woche nach dem TVöD liegt analog dazu bei 24 Tagen.
4-Tage-Woche bei gleichem Gehalt?
Entscheidend ist für Arbeitnehmer auch die Frage, was bei einer 4-Tage-Woche mit dem Gehalt geschieht. Hierbei kommt es auf die individuelle Regelung an. Verringert sich die Zahl der Arbeitstage bei gleichbleibender Stundenzahl, müssen Beschäftigte auch keine Lohneinbußen hinnehmen. Wird die Arbeitszeit verkürzt – etwa, weil es bei acht Stunden pro Arbeitstag bleibt –, kann es sein, dass das Gehalt entsprechend reduziert wird. Manche Arbeitgeber gewähren bei einer Vier-Tage-Woche jedoch vollen Lohnausgleich.
4-Tage-Woche beantragen: Wie geht es?
Eine Vier-Tage-Woche können Arbeitnehmer nicht einfach beantragen. Ob ein solches Modell eingeführt wird, entscheiden Arbeitgeber. Beschäftigte haben jedoch ohnehin ein Recht auf Teilzeit. So sieht es das Teilzeit- und Befristungsgesetz vor. Wer länger als sechs Monate im Unternehmen ist, kann einen Antrag auf Teilzeit stellen. Das setzt voraus, dass im Betrieb regelmäßig mehr als 15 Mitarbeiter beschäftigt sind.
Der Arbeitgeber ist gehalten, den Wünschen des Arbeitnehmers zu entsprechen. Er muss den Antrag auf Teilzeit genehmigen, wenn es nicht betriebliche Gründe gibt, die dagegensprechen. Das wäre etwa denkbar, wenn es durch die Stundenreduzierung größere Probleme im Betriebsablauf gäbe oder dieser Schritt mit hohen Kosten für den Arbeitgeber verbunden wäre.
Den Antrag auf Teilzeit sollten Beschäftigte mindestens drei Monate vor dem gewünschten Beginn der reduzierten Arbeitszeit stellen. Sie müssen dabei nicht begründen, warum sie weniger arbeiten möchten. Der Antrag kann sowohl schriftlich als auch mündlich gestellt werden. Zum Nachweis ist die schriftliche Variante sinnvoller, etwa per E-Mail. Im Antrag sollten Arbeitnehmer schreiben, wie viele Wochenstunden sie künftig arbeiten möchten und ab wann sie ihr Arbeitspensum verändern möchten. Auch, wie die Arbeitszeit künftig verteilt werden soll, kann Bestandteil des Antrags auf Teilzeit sein. Das ist jedoch nicht zwingend – es kann auch später noch besprochen werden.
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