Empathie: Bedeutung, Merkmale und Tipps für mehr Empathiefähigkeit
Können Sie sich gut in andere Menschen hineinversetzen? Fällt es Ihnen leicht, die Beweggründe und Gefühle anderer zuverlässig einzuschätzen? Dann sind Sie sehr wahrscheinlich ein empathischer Mensch. Empathie ist in vielen Bereichen des Lebens eine nützliche Eigenschaft, die das Zusammenleben mit anderen erleichtern kann. Was zeichnet einen Menschen mit ausgeprägter Empathiefähigkeit aus? Wozu ist Einfühlungsvermögen nützlich? Und wie kann man lernen, empathischer zu werden? Das und mehr erfahren Sie hier.
Empathie Bedeutung: Was bedeutet es, ein empathischer Mensch zu sein?
Von Empathie hat wohl jeder Mensch schon gehört. Aber wissen Sie auch genau, was der Begriff bedeutet? Gemeint ist eine Persönlichkeitseigenschaft, die bei manchen Menschen mehr, bei anderen weniger stark ausgeprägt ist. Der US-amerikanische Psychologe und Autor Daniel Goleman beschreibt Empathie als Fähigkeit, die Emotionen anderen Menschen unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Umstände zu deuten. Laut Duden ist Empathie nicht nur die Fähigkeit, sondern auch die Bereitschaft, sich in die Einstellungen anderer Menschen einzufühlen.
Empathische Menschen sind feinfühlig für die Stimmung anderer Menschen. Sie merken oft schon, wie jemand drauf ist, wenn er den Raum betritt. Sie können nicht nur Stimmungen gut einschätzen – und zwar von bekannten wie von fremden Personen –, sondern sind auch besonders gut darin, die Hintergründe dieser Gefühle wahrzunehmen. Ein empathischer Mensch kann damit leicht nachvollziehen, warum jemand handelt wie er handelt. Das macht Empathie zu einem wichtigen Bestandteil emotionaler Intelligenz.
Synonym zum Begriff Empathie werden auch die Begriffe Empathiefähigkeit, Einfühlungsvermögen und Feinfühligkeit verwendet. Mitunter wird Empathie auch als Mitgefühl beschrieben, wobei es zwischen beiden Begriffen Unterschiede gibt.
Ein empathischer Mensch ist zwar potenziell ein mitfühlender Mensch, weil er sich gut in andere hineinversetzen kann. Er muss jedoch nicht persönlich mit anderen mitfühlen, nur, weil er ihre Stimmungen wahrnimmt. Man kann also sagen: Wer mit anderen mitfühlt, ist sehr wahrscheinlich ein empathischer Mensch, aber nicht jeder empathische Mensch fühlt automatisch mit anderen mit.
Verschiedene Arten von Empathie
Empathie kann verschiedene Ausprägungen haben. In der Psychologie unterscheidet man diese Formen:
- emotionale Empathie
- kognitive Empathie
- soziale Empathie
Die Arten der Empathie unterscheiden sich vor allem danach, wie sehr jemand selbst mit anderen mitfühlt. Bei der emotionalen Empathie ist das in hohem Maße der Fall. Die Betroffenen sind also selbst gefühlsmäßig involviert und reagieren mit ihren Gefühlen auf die Gefühle anderer.
Anders bei der kognitiven Empathie: Dabei ist es so, dass jemand zwar gut nachfühlen kann, wie sich ein anderer Mensch fühlt und warum er sich verhält wie er sich verhält, allerdings wird die Situation des anderen mit emotionalem Abstand betrachtet. Das bedeutet, dass jemand zwar gut verschiedene Blickwinkel einnehmen kann, er aber nicht automatisch mit den anderen Menschen mitfühlt.
Die soziale Empathie bezieht sich darauf, wie gut jemand Stimmungen in größeren Gruppen von Menschen wahrnehmen kann. Wer sozial empathisch ist, kann auch Gruppendynamiken leichter erkennen als andere. Sozial empathische Menschen können sich außerdem besonders gut auf Menschen mit verschiedenen Hintergründen einstellen.
Wieso Empathiefähigkeit eine wichtige Eigenschaft ist
Empathiefähigkeit wird gemeinhin als wünschenswerte Eigenschaft wahrgenommen. Sie kann in allen Bereichen des Lebens positive Auswirkungen haben.
Im Privatleben kann Empathie ebenso ein harmonisches Miteinander mit anderen Menschen ermöglichen wie im Beruf. Empathische Menschen sind eher konfliktfähig, mit ihrer Art tragen sie jedoch auch dazu bei, dass Konflikte gar nicht erst entstehen oder sie rasch entschärft werden können.
Wer Empathiefähigkeit besitzt, wird oft als guter Zuhörer wahrgenommen, an den man sich vertrauensvoll wenden kann. Das kommt der Kommunikation zugute und kann Beziehungen stärken. Auch für die Kooperation im Team ist Einfühlungsvermögen eine wichtige Eigenschaft. Dadurch wird es leichter möglich, Kompromisse zu schließen, die alle Beteiligten akzeptabel finden.
In Führungspositionen ist Empathie wichtig
In manchen Berufen ist Empathie besonders vorteilhaft. Das betrifft etwa Jobs, bei denen man viel Kontakt mit Kunden oder wichtigen Geschäftspartnern hat. Empathische Menschen können deren Bedürfnisse und Vorstellungen leichter antizipieren und sich voll und ganz darauf einstellen. Das steigert die Wahrscheinlichkeit, dass die Kontakte sich verstanden und ernstgenommen fühlen – und entsprechend zufrieden mit der Interaktion sind.
Wer eine Führungsposition innehat, profitiert ebenfalls von einer ausgeprägten Empathiefähigkeit. Schließlich muss sich ein Vorgesetzter auf die Bedürfnisse und individuellen Persönlichkeiten seiner Mitarbeiter einstellen können. Je besser er seine Untergebenen kennt und weiß, wie sie ticken, desto eher kann er durch sein eigenes Verhalten ein harmonisches und konstruktives Miteinander ermöglichen. Außerdem gelingt es empathischen Vorgesetzten oft eher, ihre Mitarbeiter individuell zu motivieren.
Empathiefähigkeit Test: Sind Sie ein empathischer Mensch?
Sind Sie empathisch? Wie steht es um Ihr Feingefühl? Mit unserem Test können Sie es ganz leicht herausfinden. So geht es: Lesen Sie sich die folgenden Aussagen durch. In je mehr Aussagen Sie sich wiederfinden, desto empathischer sind Sie.
- Ich kann gut zuhören.
- Es fällt mir leicht, mich in andere hineinzuversetzen – ich kann mir meist denken, was sie dazu bewegt, in einer bestimmten Weise zu handeln, oder woher ihre Gefühle stammen.
- Bei Meinungsverschiedenheiten sehe ich auch die andere Seite.
- Wenn ich merke, dass andere leiden, leide ich häufig mit.
- Bei einem traurigen Film oder Buch kommen mir leicht die Tränen.
- Wie jemand drauf ist, merke ich oft schon in den ersten Sekunden des Kontakts.
- Wenn Freunde oder Angehörige Probleme haben, mache ich diese schnell zu meinen eigenen und überlege, wie man die Situation verbessern könnte.
- Nein zu sagen fällt mir schwer.
- Ich bin sehr hilfsbereit und möchte anderen gerne helfen, wenn sie ein Problem haben oder überlastet sind.
- Ich kann gut vermitteln, wenn andere streiten, und mir fallen oft Kompromissvorschläge ein.
- Andere wenden sich häufig an mich, wenn sie sich mal aussprechen müssen.
- Andere zu kritisieren fällt mir schwer.
- Wenn ich etwas tue, überlege ich oft, was es für andere bedeutet.
Empathie trainieren: So können Sie empathischer werden
Wie empathisch jemand ist, ist eine Frage seiner Persönlichkeit. Manche Menschen sind von Natur aus sehr feinfühlig, während andere mehr Schwierigkeiten damit haben, andere Perspektiven einzunehmen. Dabei bestimmen jedoch nicht nur die Gene darüber, ob jemand Einfühlungsvermögen mitbringt oder nicht. Die eigene Empathiefähigkeit können Sie auch ganz bewusst trainieren. Mit unseren Tipps können Sie lernen, empathischer zu werden. Am effektivsten ist es, wenn Sie im Alltag immer wieder Situationen herbeiführen, in denen Sie Ihre Empathie gezielt stärken können.
Studieren Sie andere Menschen
Empathie zu haben setzt voraus, sich auf viele verschiedene Typen einstellen zu können. Dafür ist es hilfreich, möglichst viele Menschen zu beobachten. Sie können zum Beispiel Ihre Sitznachbarn im Restaurant beobachten und ihren Gesprächen lauschen, Sie können sich aber ebenso gut vornehmen, beim nächsten Treffen mit Freunden mal mehr zuzuhören statt selbst zu erzählen.
Wichtig: Achten Sie darauf, nicht schon vorher eine Meinung darüber zu haben, wie Menschen sind oder was sie wohl bewegt. Gehen Sie möglichst unvoreingenommen an andere heran und versuchen Sie, sich nicht von Vorurteilen leiten zu lassen. Ansonsten sehen Sie womöglich nur das, was Ihre Meinung bestätigt.
Zeigen Sie Interesse an anderen
Wenn Sie besser verstehen möchten, wie andere ticken, können Sie das auch durch gezielte Fragen erreichen. Angenommen, Sie sprechen gerade mit einem Bekannten, den Sie zufällig auf der Straße getroffen haben. Nehmen Sie sich doch mal etwas mehr Zeit und fragen Sie Ihren Bekannten mehr über sich.
Nehmen Sie die Aussagen der anderen Person zum Anlass, nachzuhaken und mehr über den jeweiligen Sachverhalt zu erfahren. So bekommen Sie nicht nur ein besseres Bild von dieser Person, sondern animieren sie auch dazu, von sich aus mehr zu erzählen – schließlich suggerieren Sie, dass Sie echtes Interesse haben.
Stellen Sie Ihre Einschätzung auf den Prüfstand
Indem Sie mit anderen Menschen sprechen, lernen Sie sie besser kennen. Das macht es einfacher, ihr Verhalten zu analysieren und ihre Beweggründe zu verstehen. Ob Ihre Annahmen stimmen, wissen Sie aber nicht – es sei denn, Sie fragen direkt nach. Das können Sie tun, indem Sie hin und wieder zusammenfassen, wie sich der andere – vermeintlich – fühlt oder was er denkt. Dazu eignen sich zum Beispiel Sätze wie:
- „Ich verstehe dich so, dass …“
- „Du meinst also, …“
- „Am meisten stört dich also, dass …“
- „Dir wäre es also lieber, wenn …“
Versetzen Sie sich im Streit in die Lage des anderen
Streit mögen zwar die wenigsten Menschen, trotzdem kommt es hin und wieder dazu. Wenn Sie sich das nächste Mal in einer Streitsituation befinden, versuchen Sie, es dieses Mal anders zu machen. Statt auf Ihrer Sichtweise zu beharren, versetzen Sie sich in Ihr Gegenüber hinein und überlegen, wie es zu dessen Meinung kommt. Gehen Sie nicht davon aus, dass Ihre Einstellung die einzig richtige ist, sondern lassen Sie sich auf die Haltung des anderen ein. Sie muss nicht „richtig“ sein und Sie müssen sie auch nicht übernehmen, aber es lohnt sich, sie zu verstehen.
Schlüpfen Sie in eine andere Rolle
Um die eigene Empathiefähigkeit zu trainieren, bietet sich auch Schauspielern an. Vielleicht haben Sie Lust, einer Theatergruppe beizutreten oder einen Theaterkurs zu machen? Wenn Sie Theater spielen, schlüpfen Sie in eine andere Rolle. Sie werden dadurch automatisch dazu gezwungen, sich in diese Rolle einzufinden und andere Sichtweisen einzunehmen. Wenn Sie das regelmäßig tun, wird es Ihnen auch im Alltag leichter fallen, sich in andere hineinzuversetzen.
Zu viel Empathie: Die Nachteile von ausgeprägtem Einfühlungsvermögen
Viele Menschen möchten empathischer werden. Empathie ist grundsätzlich eine positive Eigenschaft – bis zu einem gewissen Grad. Denn es gibt durchaus auch ein Zuviel an Einfühlungsvermögen. Manche Menschen sind so feinfühlig, dass sie überaus empfänglich für die Stimmungen der Menschen um sie herum sind. Das kann schnell dazu führen, dass Betroffene von der schlechten Laune, Problemen oder Sorgen anderer Menschen heruntergezogen werden.
Auch traurige Geschichten – etwa aus den Nachrichten oder sozialen Netzwerken – können sehr empathischen Menschen die Laune verderben. Ihr Einfühlungsvermögen ist so groß, dass sie selbst in nur leicht abgemilderter Form nachfühlen, was andere Menschen fühlen. Für solche Menschen gibt es entsprechend häufig einen Anlass dafür, sich schlecht zu fühlen. Nicht selten vergessen sie bei all dem Fokus auf andere sich selbst und die eigenen Bedürfnisse.
Ekpathie als Selbstschutz
Ist die eigene Empathie sehr stark ausgeprägt, ist das für die Betroffenen oft belastend. In solchen Situationen kann es wichtig sein, sich von anderen und ihren Stimmungen abzugrenzen – mit einer Art Gegenkonzept zur Empathie. Der spanische Psychiater Luis de Rivera hat dafür den Begriff der Ekpathie geprägt. Dabei grenzen die Betroffenen bestimmte Gefühle, Gedanken oder Einstellungen ganz bewusst aus.
Ekpathie bedeutet nicht, statt einfühlsam plötzlich egozentrisch zu sein. Gemeint ist nicht, dass ein zuvor empathischer Mensch nun gefühlskalt ist. Es geht vielmehr darum, einen Ausgleich zu einer als ungesund empfundenen Empathiefähigkeit zu finden. Ekpathie ist als Selbstschutz zu verstehen und kann Betroffenen helfen, den Fokus wieder stärker auf sich selbst zu richten.
Das Konzept der Ekpathie ist auch als Schutz vor Manipulationen durch andere nützlich. So mancher gutmütige Mensch wird von anderen ausgenutzt – weil er nicht anders kann, als zu Bitten und Wünschen Ja sagen. Wenn Ekpathie komplementär zur eigenen Empathie vorhanden ist, wird das weniger wahrscheinlich.
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