Ausbildung verlängern: So ist es möglich

Eine Berufsausbildung dauert in der Regel zwischen zwei und dreieinhalb Jahren. Manchmal reicht dieser Zeitraum allerdings nicht aus, um die Ausbildung abzuschließen. Kann man dann die Ausbildung verlängern? In Ausnahmefällen ist das auf Antrag möglich. Unter welchen Umständen Sie die Lehrzeit verlängern können und wie Sie richtig vorgehen, erfahren Sie in diesem Artikel.

Ein junger Mann denkt nach, er möchte die Ausbildung verlängern

Ausbildung verlängern: die Gründe

Das Wichtigste vorab: Einen Rechtsanspruch auf eine Ausbildungsverlängerung gibt es nicht. Nach Paragraf 8 Satz 2 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) kann die zuständige Stelle auf Antrag eines Auszubildenden die Ausbildung verlängern.

Um eine Verlängerung zu bekommen, müssen bestimmte Voraussetzungen vorliegen. So gibt unterschiedliche Gründe, die es rechtfertigen, dass Sie Ihre Ausbildung nicht in der dafür ursprünglich vorgesehenen Zeit abschließen können: Vielleicht waren Sie längere Zeit erkrankt oder sind schwanger geworden. Auch eine Behinderung legitimiert eine Ausbildungsverlängerung. Menschen, die psychisch, geistig oder körperlich beeinträchtigt sind, benötigen häufig mehr Zeit, Lerninhalte zu erfassen oder umzusetzen.

Es kann auch sein, dass Ihnen die Ausbildungsziele schwerfallen und Sie mehr Zeit benötigen. Oft kündigt eine mangelhafte Zwischenprüfung bereits an, dass die Ausbildung womöglich verlängert werden muss. Auch Personen, die die Landessprache nicht als Muttersprache sprechen, tun sich in der Ausbildung hin und wieder schwer. Daher könnte auch das ein Grund für eine Ausbildungsverlängerung sein.

Übersicht: Sieben Gründe für eine Ausbildungsverlängerung

Wer seine Ausbildung verlängern möchte, könnte dafür zum Beispiel diese Gründe haben:

1. Ausbildung in Teilzeit

Die Ausbildung wird in Teilzeit absolviert, weshalb es nicht möglich ist, dieselbe Zeit zu investieren wie ein Vollzeit-Azubi. Eine Teilzeitausbildung kann im Grunde jeder machen. Sie kann sinnvoll sein, wenn Sie Kinder haben, Angehörige pflegen oder selbst eingeschränkt sind. Bei einer Teilzeitausbildung müssen Sie – im Verhältnis zu einer Vollzeitausbildung – eine wöchentliche Arbeitszeit von mindestens 50 Prozent nachweisen. Die wöchentliche Berufsschulzeit hingegen ändert sich bei einer Teilzeitausbildung nicht.

Anerkannte Gründe für eine Teilzeitausbildung sind zum Beispiel:

  • Sie pflegen einen Angehörigen
  • Sie sind anerkannter Flüchtling
  • Sie betreuen eigene Kinder
  • Sie sind gesundheitlich eingeschränkt
  • Sie haben eine Behinderung
  • Leistungssport
  • Notwendiger Nebenerwerb

2. Schlechte Ausbildung im Ausbildungsbetrieb

In einigen Fällen liegen die Gründe für eine Ausbildungsverlängerung nicht beim Auszubildenden selbst, sondern beim Ausbildungsbetrieb. Wenn wesentliche Lehrinhalte dort nicht vermittelt wurden, haben Sie ein berechtigtes Interesse, die Lehrzeit auszudehnen.

Laut Ausbildungsreport des Deutschen Gewerkschaftsbundes aus dem Jahr 2022 empfinden 13,2 Prozent der befragten Auszubildenden die fachliche Anleitung in ihrem Betrieb als schlecht. Mehr als ein Drittel aller befragten Azubis verwies darauf, dass ein gesetzlich vorgeschriebener Ausbildungsplan fehle. Es kann auch vorkommen, dass der zuständige Ausbilder eines Betriebs längere Zeit ausfällt und es keine adäquate Vertretung gibt.

In solchen Fällen vermittelt der Ausbildungsbetrieb die Ausbildungsinhalte nur lückenhaft. Dadurch sind die Leistungen nicht so gut wie sie sein sollten, um die Ausbildung erfolgreich abzuschließen. Das kann durchaus ein Grund sein, die Ausbildung zu verlängern, um wichtige Inhalte zu lernen und sich praktische Erfahrungen anzueignen.

3. Verlängerung wegen schlechter Prüfungsergebnisse

Haben Sie Ihre Abschlussprüfung nicht bestanden, können Sie diese zweimal wiederholen. Die Ausbildungszeit und damit ihr Ausbildungsverhältnis verlängern sich dadurch um maximal ein Jahr.

Die erste Wiederholungsprüfung erfolgt in der Regel nach einem halben Jahr, die zweite wiederum sechs Monate später. Vorsicht: Fallen Sie erneut durch, ist eine weitere Abschlussprüfung in diesem Beruf nicht mehr möglich. Sie können in diesem Ausbildungsberuf keinen Abschluss mehr erlangen.

Wenn Sie Ihre Ausbildung nicht verlängern, die Prüfung aber wiederholen möchten, kann sich eine externe Wiederholungsprüfung anbieten.

4. Ausbildung verlängern wegen Krankheit

Es ist möglich, die Ausbildung wegen Krankheit zu verlängern. Wer krank ist, kann weder die Berufsschule besuchen noch praktisches Wissen im Ausbildungsbetrieb erlangen.

Hinzu kommt: Wenn Sie generell häufiger fehlen, ist die Zulassung zur Abschlussprüfung in Gefahr. Darüber entscheidet die jeweilige Kammer im Einzelfall. In der Regel dürfen Sie Ihre Abschlussprüfung wiederholen, wenn Sie wegen Krankheit einige Ausbildungsinhalte verpasst haben.

Als Faustregel gilt: Wer mehr als zehn Prozent der Ausbildungszeit versäumt, also mehr als 22 Tage pro Lehrjahr fehlt, wird Schwierigkeiten haben, die Lücken eigenständig zu füllen und wieder aufzuarbeiten. Daher rechtfertigt eine lange Krankheit häufig eine Verlängerung der Ausbildung.

5. Antrag auf Verlängerung der Ausbildungszeit wegen Sprachschwierigkeiten

Immer mehr Migranten beginnen eine Ausbildung in Deutschland. Dabei zeigt sich immer wieder, dass Schwierigkeiten mit der Sprache dazu führen können, dass die Ausbildung verlängert werden muss.

Damit es im zweiten Anlauf besser klappt, können Sie als Nicht-Muttersprachler bei Verständigungsschwierigkeiten ausbildungsbegleitende Hilfen in Anspruch nehmen. Sie haben Anspruch auf mindestens drei Stunden Unterricht pro Woche, in denen Sie Ihre Deutschkenntnisse vertiefen können. Auch Nachhilfe zu Theorie- und Praxisteilen ist möglich, um die Abschlussprüfung zu bestehen. Die Agentur für Arbeit übernimmt in der Regel die Kosten für diese Hilfen. Am besten, Sie erkundigen sich bei Bedarf bei dem zuständigen Sachbearbeiter.

6. Schwangerschaft: Ausbildungsverlängerung auf Antrag

Schwangere Auszubildende stehen oft vor der Frage, wie sie ihre Ausbildung fortsetzen beziehungsweise beenden können. Die Ausbildungszeit verlängert sich nicht automatisch um die Zeitspanne des Mutterschutzes. Die Ausbildung wird nur dann verlängert, wenn Sie bei der zuständigen Kammer einen Antrag stellen.

Laut BBiG kann die Kammer Ihre Ausbildung auf Antrag verlängern. Sie können nach der Mutterschutzpause auch in Elternzeit gehen oder Teilzeit arbeiten.

Gut zu wissen: Nicht immer ist eine Ausbildungsverlängerung nötig, um die Ausbildungsziele zu erreichen. In manchen Fällen können Azubis auch während ihrer Schwangerschaft, im Mutterschutz oder während der Elternzeit eine Prüfung ablegen.

Wer das plant, sollte sich rechtzeitig nach den geltenden Regelungen erkundigen. Die Industrie- und Handelskammer oder die Handwerkskammer kann in jedem Fall weiterhelfen, wenn Sie Ihre Ausbildung wegen einer Schwangerschaft verlängern möchten.

7. Längeres Auslandspraktikum: Ausbildung verlängern?

Manche Unternehmen bieten ihren Auszubildenden ein Auslandspraktikum an, auch einige Kammern und Berufsschulen haben mittlerweile dieses Angebot im Portfolio. Dabei gibt es einige Arten von Auslandspraktika, die recht lang ausfallen.

Wenn Ihre Ausbildung drei Jahre dauert, dürfen Sie laut Berufsbildungsgesetz (BBiG) insgesamt neun Monate lang in einem anderen Land Erfahrungen und Wissen sammeln. Und wer sich für mehrere Monate in einem anderen Land aufhält, verpasst einiges in seinem Ausbildungsbetrieb und in seiner Berufsschule. Damit dies nicht dazu führt, dass Azubis nur sehr kurze oder gar keine Auslandspraktika machen, gibt es in diesen Fällen die Möglichkeit, die Ausbildung zu verlängern.

Ausbildung verlängern: Was muss ich für die Verlängerung tun?

Wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie Ihre Ausbildung verlängern müssen, sprechen Sie so schnell wie möglich mit Ihrer Berufsschule und Ihrem Ausbildungsbetrieb. In vielen Fällen lassen sich gute Lösungen finden, wenn man die Ausbildungsverlängerung rechtzeitig proaktiv angeht.

Anschließend stellen Sie einen Antrag bei der zuständigen Kammer. Der Antrag auf Verlängerung der Ausbildungszeit ist ein notwendiger formaler Schritt. Ohne ihn geht es nicht.

Wie stelle ich den Antrag auf Ausbildungsverlängerung?

Generell gilt Ihr Ausbildungsverhältnis nach Ablauf der Ausbildungszeit als beendet. Aus diesem Grund müssen Sie rechtzeitig und unverzüglich – zum Beispiel bei nichtbestandener Prüfung – einen formellen Verlängerungsantrag stellen, bevor die Frist abläuft. Entsprechende Formulare erhalten Sie bei Ihrem Ausbildungsbetrieb, online oder bei der zuständigen Kammer.

In dem Antrag müssen Sie begründen, warum eine Verlängerung Ihrer Ausbildung erforderlich ist. Diese Begründung muss glaubhaft sein. Wenn Sie nicht wissen, welche Gründe Sie nennen oder wie Sie den Antrag konkret begründen könnten, fragen Sie am besten bei Ihrem Ausbilder oder der Berufsschule nach.

Im nächsten Schritt geben Sie den vollständig ausgefüllten Antrag bei der Industrie- und Handelskammer beziehungsweise Handwerkskammer ab. Die Kammer berät sich mit Ihrem Ausbildungsbetrieb sowie der Berufsschule und entscheidet darüber, ob Ihre Ausbildung verlängert wird oder nicht.

Was bewirkt die Verlängerung der Ausbildung?

Nur wenig Azubis haben Lust dazu, ihre Ausbildung zu verlängern. Trotzdem muss es manchmal sein, um die Ausbildung abschließen zu können. Das ist keinesfalls ein Grund, sich zu schämen. Wer zum Beispiel wegen einer Krankheit die Ausbildung verlängern muss, hat daran keine Schuld.

Aber auch in anderen Fällen ist eine Ausbildungsverlängerung kein Anlass, den Kopf in den Sand zu stecken. Sollten Sie trotzdem nicht erfreut darüber sein, dass Sie die Ausbildung verlängern müssen, hilft Ihnen vielleicht folgende Erkenntnis: Normalerweise hat eine Verlängerung keine Auswirkungen auf spätere Bewerbungen. Und sollte der Personaler doch nachfragen, erklären Sie einfach ehrlich, warum Sie die Ausbildung verlängern mussten. Die meisten Personaler schätzen es, wenn Bewerber ehrlich und offen mit Rückschlägen umgehen – schließlich kommen diese Dinge in nahezu jedem Berufsleben vor.

Finanziell kann Sie eine Ausbildungsverlängerung jedoch empfindlich treffen. Zum Beispiel wenn Sie Berufsausbildungsbeihilfe beziehen. Diese wird bei Verlängerung nicht gezahlt. Deshalb: Überlegen Sie gut, ob Sie Ihre Ausbildung doch noch in der dafür vorgesehen Zeit absolvieren können. An ihrem regulären Gehalt/Lohn ändert sich bei einer Verlängerung übrigens nichts.

Bildnachweis: Gyorgy Barna / Shutterstock.com

Nach oben scrollen