Stereotypen: Wo Sie auftreten und wie Sie mit ihnen umgehen
Wie war das noch? Amerikaner sind oberflächlich und Deutsche humorlos. Die Jugend ist rücksichtslos, Frauen können nicht Auto fahren und die ältere Generation ist intolerant: Menschen stecken ihre Mitmenschen gern in Schubladen. Das geschieht manchmal ganz automatisch. Sie denken in Stereotypen, also in schematisierten Vorstellungsinhalten. Solche Denkmuster treten in allen möglichen Bereichen auf. Auch Sie werden sich diesen nicht immer entziehen können. Oft ist es auch gar nicht so einfach, mit diesem Schubladendenken umzugehen und seine Vorurteile und Stereotypen zu überwinden. Wir haben ein paar Tipps, wie Sie es trotzdem schaffen könnten.
Definition: Was sind Stereotypen?
Das Wort Stereotype (oder Stereotyp) stammt von den griechischen Begriffen „stereos“, was „fest“, „starr“ und „hart“ bedeutet, sowie „typos“, übersetzt „feste Norm“, ab.
Zunächst wurde der Begriff im Mittelalter in Zusammenhang mit dem Buchdruck verwendet. Heute steht er vor allem in der Psychologie und Soziologie für verallgemeinernde, klischeehafte Vorstellungen.
Als Gründungsvater der Stereotypenforschung gilt der Journalist Walter Lippmann. Für ihn sind Stereotypen „verfestigte schematisch, objektiv weitgehend unrichtige kognitive Formeln, die zentral entscheidungserleichternde Funktion in Prozessen der Um- und Mitbewältigung haben“.
Stereotypen sind also Schablonen unseres Denkens und unserer Überzeugungen zu verschiedenen Personen oder Gruppen von Menschen. Während ein Stereotyp sowohl neutral als auch positiv ausfallen kann, ist die nächste Stufe – das Vorurteil – dagegen negativ behaftet.
Wie viel Wahrheit steckt hinter Stereotypen?
Meist steckt ein bisschen Wahrheit hinter Stereotypen. Das zeigt zum Beispiel eine Studie zu regionalen Persönlichkeitsunterschieden in Deutschland. Forscher haben dabei herausgefunden, dass viele gängige Stereotypen innerhalb Deutschlands zutreffen.
Demzufolge sollen Süddeutsche tatsächlich extrovertierter sein als zum Beispiel ein Fischverkäufer aus Mecklenburg-Vorpommern. Berliner und Kölner gelten im Vergleich zur Landbevölkerung als besonders offen.
Die Psychologie dahinter: Was bewirken Stereotypen?
Vielleicht haben Sie sich auch schon einmal dabei ertappt, einem Amerikaner jegliche Kenntnis über gesundes Essen abzusprechen, ohne jemals die Staaten besucht zu haben. Dann geht es Ihnen wie den meisten Menschen.
Aus psychologischer Sicht helfen Stereotypen uns oft unbewusst, die Welt einschätzbarer und überschaubarer zu machen. Insgesamt dienen Stereotypen unter anderem dazu,
- Unsicherheit abzuwehren
- zu entlasten
- die Welt zu vereinfachen
- Sicherheit zu schaffen
- die Vielschichtigkeit des menschlichen Charakters und gesellschaftlicher Verhältnisse zu reduzieren und durchschaubarer zu machen
- das Selbstwertgefühl zu stabilisieren
- Denkprozesse zu vereinfachen
- sich zugehörig zu fühlen
Bedeutung der Stereotypen: Was das Denken in Stereotypen mit uns macht
Viele dieser Stereotypen sind nicht oder kaum problematisch. Zum Beispiel die Klischees von dem französischen Feinschmecker, den als besonders ordentlich geltenden Schweizern oder vom Spanier, der seine Siesta liebt.
Häufig aber führt das Bedürfnis, seine Mitmenschen in Schubladen zu kategorisieren, zu üblen und beleidigenden Vorurteilen. Auch Sie haben sicher schon von „Spaghettifressern“, von „Schlitzaugen“ oder „Kümmeltürken“ gehört. Andersherum unterliegen die Deutschen als „Krautfresser“ in anderen Ländern natürlich auch solchen Klischees.
Neben solchen Vorurteilen über andere Nationalitäten gibt es viele weitere Bereiche, in denen Stereotypen und Vorurteile herrschen. Sie beziehen sich unter anderem auf
- das Geschlecht
- die Hautfarbe
- das Alter
- den Beruf
- auf das Aussehen
Typische Sprüche, die sich aus diesem Schubladendenken ergeben, sind zum Beispiel:
- „Frauen können nicht Autofahren.“
- „Männer sind Macher.“
- „Jugendliche sind egoistisch.“
- „Anwälte sind Halsabschneider.“
- „Journalisten verbreiten Lügen.“
- „Dicke sind faul und undiszipliniert.“
- „Blondinen sind dumm.“
Geschlechter-Stereotypen: So wirken sich Vorurteile aus
Frauen kaufen immer Schuhe. Männer interessieren sich nur für Fußball. Durch sogenannte Geschlechterstereotypen werden Menschen aufgrund ihres Geschlechts bestimmte Eigenschaften zugeschrieben.
Das ist ein Thema, mit dem sich die Gender-Forschung intensiv auseinandersetzt: Festgestellt wurde unter anderem, dass solche Kategorisierungen dazu führen, wissenschaftlichen Forschungsinhalten oft mehr Gewicht beizumessen, wenn diese von Männern verfasst werden.
Gängige Klischees sind auch, dass Mädchen in der Schule besser in Sprachen sind als Jungs, diese aber in Mathematik die Nase vorn haben. Frauen sind dem Stereotypen zufolge empathischer und fürsorglicher als Männer. Männer gelten als durchsetzungsstärker und selbstbewusster.
Solche Verallgemeinerungen über die Eigenschaften der Geschlechter führen dazu, dass bestimmte Erwartungen an das jeweilige Geschlecht gestellt werden.
Entsprechen Frauen und Männer nicht den gängigen Kategorisierungen und halten sich nicht an die gängigen Klischees, ecken sie häufig an. In solchen Fällen werden sie oft nicht als Individuen mit eigenen Schwächen und Stärken wahrgenommen.
Kevin hat es im Berufsleben schwerer als Alexander
In der Berufswelt sind es neben dem Geschlecht und der Herkunft auch Namen, die zu stereotypischen Denken verleiten. Männer mit dem Namen Kevin und Frauen, die Mandy oder Chantal heißen, haben es nachweislich nicht nur in der Schule schwerer als eine Sophie oder ein Alexander. Auch in der Berufswelt herrschen oft Vorurteile. „Kevinismus“ wird dieses Phänomen betitelt, das als Vorurteil für bildungsferne, verhaltensauffällige und lernschwache Menschen gilt.
Schubladendenken: Wie entstehen Vorurteile und Stereotypen?
Jeden Tag nehmen wir unzählige Informationen auf und verarbeiten diese. Um sich im Alltag zurechtzufinden, sortiert und kategorisiert das Gehirn diese Informationen automatisch.
Wie alle anderen Menschen haben auch Sie von Kindesbeinen an gelernt, nicht nur Ihre Umwelt, sondern auch Menschen in Kategorien einzuteilen: Es gibt Männer und Frauen, Kinder und Erwachsene, alte und junge Leute. Menschen haben verschiedene Religionen und Berufe. Oder sie kommen aus unterschiedlichen Ländern.
Diese Einteilung ist ein unbewusster Prozess, der schon von klein auf helfen soll, die Dinge einzuschätzen. Wenn sich diese Einteilungen zu Stereotypen verfestigen, kommt es gern zu Vorurteilen. Diese basieren nicht immer auf eigenen Erfahrungen.
Häufig werden Vorurteile und Stereotypen bereits im Elternhaus gepflegt und an die nächste Generation weitergegeben. Solche verallgemeinernden Überzeugungen sind jeweils mit einer bestimmten Einstellung verknüpft. Die erlernte Haltung lässt sich oft nur schwer korrigieren. Vorurteile unterliegen außerdem historischen Begebenheiten sowie sozialen, kulturellen und medialen Einflüssen.
Abhilfe: Was kann man gegen Vorurteile tun?
Die Aktivierung von Stereotypen geschieht meist unbewusst und kann in vielen Situationen zu großen Fehlern führen. Zum Beispiel beim Bewerbungsgespräch, bei der Beurteilung von Kollegen oder sogar bei einem Gerichtsurteil. Das liegt eben daran, dass Stereotypen evolutionär als eine automatisierte, überlebensnotwendige, unbewusste Strategie gelten, die Menschen blitzschnelle Entscheidungen ermöglichen. Ohne diese Fähigkeit hätte kein Steinzeitjäger lange überleben können.
Mittlerweile werden Möglichkeiten diskutiert, automatisch aktivierte Stereotypen zu vermindern. Wer zum Beispiel in die Rolle seines Gegenübers schlüpft und die Perspektive wechselt, kann eigenes stereotypisches Denken reduzieren und zu anderen Urteilen kommen.
Um negative Vorurteile zu bekämpfen, müssen Sie diese also als solche erkennen. Das bedeutet, dass Sie Ihr Denken zunächst einer kritischen Prüfung unterziehen sollten. Wer genau hinsieht, bemerkt, dass viele Blondinen sehr klug sind und viele Frauen gut einparken können.
Auch Männer können gute Erzieher abgeben, und viele Kevins haben Abitur gemacht. Um seine eigenen Vorurteile als solche zu erkennen, hilft es auch, Erfahrungen und Wissen zu sammeln und in direkten Kontakt mit der jeweiligen Person oder Personengruppe zu treten. Werden in Ihrem Umfeld Vorurteile laut, widersprechen Sie deutlich. Diskutieren Sie. Das gilt auch für die sozialen Medien.
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