Bedingungsloses Grundeinkommen: Die Lösung aller Probleme?
Die Idee hinter dem bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) ist simpel: Jeder Bürger erhält monatlich einen fixen Betrag Geld, ohne dafür eine Gegenleistung erbringen zu müssen. Er kann sich ohne Geldsorge um die Dinge kümmern, die ihm wirklich wichtig sind. Dieser Vorschlag gewinnt immer mehr Zuspruch. Nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie, in deren Folge gerade Selbstständige und Alleinerziehende mit finanziellen Problemen zu kämpfen hatten.
Definition: Was ist bedingungsloses Grundeinkommen?
Jeder Bürger soll jeden Monat einen bestimmten Geldbetrag bekommen, über den er nach den eigenen Vorstellungen verfügen darf. Diesen Betrag soll es unabhängig davon geben, ob die Person das Geld wirklich braucht oder nicht. Millionäre hätten damit ebenso einen Anspruch auf das bedingungslose Grundeinkommen wie Langzeitarbeitslose.
Das Geld soll auch dann gezahlt werden, wenn sich die Person bewusst dagegen entscheidet, etwas Produktives für die Allgemeinheit zu leisten. Aktuell können Bezieher von Arbeitslosengeld I und II noch sanktioniert werden, wenn sie ihren Verpflichtungen nicht nachkommen. Mit einem bedingungslosen Grundeinkommen wäre das vorbei.
In Deutschland wird die Idee immer wieder diskutiert, das bedingungslose Grundeinkommen gibt es jedoch (noch) nicht.
Die Höhe: Wie hoch soll das bedingungslose Grundeinkommen sein?
Es gibt verschiedene Ansichten darüber, wie hoch ein bedingungsloses Grundeinkommen ausfallen sollte. Die aktuell am häufigsten zitierte Variante des bedingungslosen Grundeinkommens sieht vor, dass pro Person monatlich so viel Geld gezahlt werden soll, dass man davon ohne größere Probleme leben kann. Das Grundeinkommen orientiert sich also am Existenzminimum, das bei etwa 1.000 bis 1.200 Euro monatlich liegt.
Bedingungsloses Grundeinkommen: Die Vor- und Nachteile
Die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens polarisiert. Einige sehen darin die gesellschaftliche Zukunft, andere den Untergang des traditionellen Sozialstaats. Schauen wir uns daher die Vor- und Nachteile des bedingungslosen Grundeinkommens näher an.
Die Vorteile
Der wohl größte Vorteil, den die Fürsprecher des bedingungslose Grundeinkommens ins Feld führen, ist der eines selbstbestimmten Lebens. Wenn Menschen nicht gezwungen sind, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, nur um Geld zu verdienen, schafft dies persönliche Freiräume. Gäbe es ein bedingungsloses Grundeinkommen, müsste niemand mehr unliebsame Jobs annehmen. Stattdessen bliebe mehr Zeit dafür, durchzuatmen und darüber nachzudenken, wie sich das Leben sinnhaft gestalten lässt.
Der Philosoph Richard David Precht spricht sich für das bedingungslose Grundeinkommen aus, weil er im BGE die einzige Möglichkeit sieht, die Folgen der Digitalisierung abzumildern. Seiner Meinung nach werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten sehr viele Jobs verschwinden, weil Robotern oder KIs sie erledigen.
Auf der anderen Seite wird man das Heer an Arbeitslosen, das Precht auf uns zukommen sieht, nicht allein mit Arbeitslosengeld I und II finanzieren können. Ein neues System müsste her und für den Philosophen ist dieses System das bedingungslose Grundeinkommen.
Ein positiver Nebeneffekt könnte sein, dass sich so auch der Pflegenotstand abmildern lässt. Würde die harte Arbeit in der Pflege endlich gebührend entlohnt werden, könnten sich mehr Menschen für diese Jobs interessieren. Denn das bedingungslose Grundeinkommen dürften Personen auch dann behalten, wenn sie einem Beruf nachgehen.
Die Befürworter sehen das BGE als Chance auf mehr Selbstbestimmung. Wer seinen Job frei von ökonomischen Zwängen wählen kann, wird eher seinen Neigungen nachgehen und das tun, wofür er ein besonderes Talent hat – zumindest im Idealfall. So könnte das bedingungslose Grundeinkommen sogar Innovationen befördern und dem Wirtschaftsstandort Deutschland Vorteile bringen.
Durch das bedingungslose Grundeinkommen können andere Sozialleistungen sinken oder entfallen, etwa Arbeitslosengeld, Kindergeld oder Wohngeld. Welche Leistungen in welcher Höhe betroffen sind, hängt vom jeweiligen BGE-Modell ab. So ließe sich außerdem die Verwaltung entlasten, was zusätzliche Kosten einspart.
Die Nachteile
Dass Menschen auch dann arbeiten gehen würden, wenn sie fürs Nichtstun bezahlt werden, wird von Gegnern des BGE bestritten. Sie befürchten, dass das bedingungslose Grundeinkommen den Sozialstaat komplett überlasten könnte. Denn wer monatlich sowieso 1.000 Euro oder mehr bekommt, der könnte die Notwendigkeit nicht sehen, für einen höheren Verdienst noch zu arbeiten.
Festzuhalten bleibt allerdings, dass man von 1.000 oder auch 1.200 Euro im Monat keine großen Sprünge machen kann. Schaut man sich die aktuellen Mieten und Lebenshaltungskosten an, dürften selbst 1.500 Euro pro Monat zu wenig sein, um davon langfristig alle Kosten begleichen zu können.
Trotzdem sehen die Gegner die Gefahr, dass es aufgrund des bedingungslosen Grundeinkommens Probleme geben dürfte, Arbeitnehmer für schlecht bezahlte Jobs zu finden. Denn diese Jobs sind in der Regel besonders anstrengend und/oder wenig abwechslungsreich.
Praxisversuche mit dem bedingungslosen Grundeinkommen
Glücklicherweise muss man sich nicht nur auf die Theorie verlassen. Es gab schon einige Feldversuche mit dem bedingungslosen Grundeinkommen, die eine fundiertere Diskussion ermöglichen.
In Finnland bekamen im Rahmen einer Studie 2.000 per Zufall ausgesuchte arbeitslose Personen zwei Jahre lang bedingungsloses Grundeinkommen. Dieses Grundeinkommen war genauso hoch wie das an Auflagen geknüpfte Arbeitslosengeld, das die Menschen bis dato erhielten. Nach zwei Jahren überprüften die Studienautoren, was sich innerhalb der letzten 24 Monate bei den Personen getan hatte.
Groß waren die Unterschiede allerdings nicht. Die Mehrzahl der Studienteilnehmer war immer noch arbeitslos. Jedoch zeigten sich gesundheitliche Verbesserungen. Diejenigen Personen, die an der Studie teilnahmen und das bedingungslose Grundeinkommen erhielten, hatten weniger Probleme mit Stress und generell einen besseren Gesundheitszustand.
Die Tagesschau berichtete von einer Teilnehmerin der Studie, der es dank dem bedingungslosen Grundeinkommen gelungen war, sich selbstständig zu machen und ein Café zu eröffnen. Die Teilnehmerin sagt selbst, dass ihr das ohne das BGE nicht möglich gewesen wäre.
Diese Studie erhielt und erhält allerdings Gegenwind: Zum einen ist der Zeitraum von zwei Jahren etwas kurz, um daraus verlässliche langfristige Erkenntnisse ableiten zu können. Zum anderen war den Probanden klar, dass das Experiment enden würde. Nach Ablauf der zwei Jahre sahen sie sich denselben ökonomischen Zwängen ausgesetzt wie vorher. Sie mussten entsprechend planen und handeln und gewannen nicht wirklich die Freiräume, die das bedingungslose Grundeinkommen bringen soll.
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