Chef kritisieren? So sagen Sie Ihrem Vorgesetzten die Meinung

Hin und wieder kritisiert zu werden gehört im Arbeitsalltag dazu. Meist ist es der Vorgesetzte, der Kritik an Mitarbeitern äußert, manchmal auch Kollegen. Aber wie ist es umgekehrt – kann man den Chef kritisieren, wenn es Anlass dazu gibt? Wie formuliert man Kritik am Chef am besten? Und kann das unerwünschte Folgen haben? Das erfahren Sie hier.

Eine Angestellte möchte Kritik am Chef formulieren

Kritik am Chef äußern: Darf man das?

Anlass für Kritik gibt es im Arbeitsleben immer wieder. Meist wird aber nur in eine Richtung kritisiert: von oben nach unten. Während Vorgesetzte ihre Mitarbeiter oft regelmäßig kritisieren, haben viele Arbeitnehmer nicht das Gefühl, dass auch ihr Vorgesetzter im umgekehrten Fall offen für Kritik wäre. Nichtsdestotrotz gibt es Situationen, in denen sich der Chef nicht optimal verhält. Kann und darf man ihn dann dafür kritisieren?

Natürlich dürfen Sie Kritik am Chef äußern; wir leben in einem freien Land und es ist Ihre Entscheidung, was Sie zu wem sagen. Ob Sie Ihren Chef auch tatsächlich kritisieren sollten, ist die andere Frage. Wenn sich der Chef durch Ihre kritischen Anmerkungen vor den Kopf gestoßen fühlt, kann das für Probleme in Ihrer Beziehung zum Vorgesetzten sorgen. Denken Sie also an mögliche Konsequenzen, bevor Sie dem Chef die Meinung sagen.

Ob Kritik am Chef sinnvoll ist, hängt auch davon ab, worum es dabei geht. Geht es um etwas, das regelmäßig vorkommt und deutliche negative Folgen für Sie und/oder andere hat? Oder handelt es sich um ein einmaliges Ereignis, was womöglich so bald nicht wieder auftritt? In letzterem Fall kann es besser sein, Ihre Kritik für sich zu behalten. Der Chef weiß womöglich selbst, was er falsch gemacht hat – Sie würden es mit Ihrer Kritik nicht besser machen und sich unnötig in die Schusslinie bringen.

Wann ein offenes Gespräch mit dem Chef sinnvoll sein kann

Wenn es hingegen wahrscheinlich ist, dass der Chef ohne entsprechende Rückmeldung das fragliche Verhalten auch künftig an den Tag legen wird, spricht das für ein offenes Gespräch. Auch Ihr Chef kann dann von Ihrer Rückmeldung profitieren – vorausgesetzt, sie wird konstruktiv geäußert.

Wägen Sie ab, wie wahrscheinlich es ist, dass Sie Ihren Vorgesetzten durch Ihre Kritik zum Nachdenken anregen können. Hat er überhaupt (ausreichend) Einfluss auf das, was Sie stört? Glauben Sie, dass der Chef grundsätzlich offen für kritische Rückmeldungen seiner Mitarbeiter ist? Und wie ist Ihr persönliches Verhältnis? Wenn Sie sich mit Ihrem Chef gut verstehen und schon lange kennen, ist das eine bessere Grundlage für kritische Anmerkungen als wenn Sie erst einige Monate im Unternehmen sind oder ein angespanntes Verhältnis zu Ihrem Vorgesetzten haben.

Kritik am Chef zu äußern ist dann sinnvoll, wenn Sie glauben, dass Sie damit eine Veränderung bewirken können. Ein Gespräch mit dem Vorgesetzten empfiehlt sich auch, wenn Sie ansonsten direkt zu einem höherrangigen Vorgesetzten gehen würden. So geben Sie Ihrem Chef die Chance, etwas zu ändern, bevor Sie ihn „verpetzen“.

So können Sie konstruktive Kritik an Ihrem Vorgesetzten üben

Wenn Sie sich dazu entschließen, Ihren Chef zu kritisieren, sollten Sie das diplomatisch tun. Machen Sie sich im Vorfeld Gedanken darüber, wie Sie Ihre Kritik am Chef formulieren können. Es ist keine gute Idee, dem Vorgesetzten im Eifer des Gefechts Vorwürfe zu machen. Konstruktive Kritik zu äußern bedeutet auch, den richtigen Ort und die richtige Zeit dafür abzuwarten.

Welche Gelegenheit sich zur Äußerung von kritischen Aspekten eignet, hängt davon ab, wie umfangreich das Gespräch wahrscheinlich sein wird und wie schwerwiegend Ihre Kritik ist. Sie können einen Moment abpassen, in dem Sie mit dem Vorgesetzten alleine sind. Oder Sie gehen direkt am Büro des Chefs vorbei und fragen ihn, ob er kurz einen Moment Zeit für Sie hat. Sie können natürlich auch ganz formell um einen Gesprächstermin bitten. Das empfiehlt sich, wenn Sie viel zu sagen haben und Ihre Kritik sich auf grundlegende Dinge bezieht.

Greifen Sie Ihren Vorgesetzten nicht auf persönlicher Ebene an

Wenn der Chef gerade gestresst oder schlecht gelaunt ist, ist das kein guter Zeitpunkt, um ihn zu kritisieren. Warten Sie eine bessere Gelegenheit ab. Im Gespräch mit dem Chef sollten Sie ihn nicht persönlich angreifen, sondern sachlich schildern, worum es Ihnen geht. Machen Sie dabei deutlich, dass Sie nicht grundsätzlich ein Problem mit Ihrem Chef haben, und vermeiden Sie Verallgemeinerungen („immer“, „nie“, „ständig“).

Lassen Sie auch Ihren Chef zu Wort kommen. Es sollte Ihnen nicht nur darum gehen, Ihre Kritik loszuwerden, sondern einen offenen Austausch mit Ihrem Vorgesetzten anzustoßen. Je nachdem, worum es bei Ihrer Kritik geht, können Sie vielleicht auch schon Lösungsvorschläge unterbreiten.

Machen Sie sich darauf gefasst, dass der Chef sich womöglich nicht freut, von Ihnen kritisiert zu werden. Es kann sein, dass er nicht so reagiert, wie Sie sich das erhofft hatten. Reagieren Sie dann nicht Ihrerseits pampig, sondern bleiben Sie gefasst.

Den Chef kritisieren: Diese Fehler sollten Sie vermeiden

Ob es eine gute Idee ist, den Chef zu kritisieren, hängt auch davon ab, wie Sie dabei vorgehen. Die folgenden Fehler sollten Sie vermeiden, damit die Kritik am Chef nicht zum Eigentor wird.

Vorwürfe unbedacht äußern

Es mag sein, dass Sie vor Wut auf den Chef an die Decke gehen könnten. Sofort mitteilen sollten Sie das Ihrem Vorgesetzten aber nicht. Die Gefahr ist bei solchen Kurzschlussreaktionen zu groß, dass Sie etwas sagen, das Sie später bereuen, oder einen unnötig angriffslustigen Ton anschlagen. Das fällt nicht nur negativ auf Sie zurück, sondern kann auch die Beziehung zum Vorgesetzten belasten. Außerdem hat Ihre Kritik wahrscheinlich nicht den gewünschten Effekt, wenn Sie sie unbedacht im Eifer des Gefechts äußern.

Kritik vor anderen äußern

Kritik am Chef ist erlaubt – aber bitte in einer vertraulichen Atmosphäre. Äußern Sie kritische Anmerkungen unbedingt unter vier Augen und nicht im Meeting vor den Kollegen. Sonst glaubt Ihr Chef womöglich, dass Sie seine Autorität untergraben wollen. Vor allen anderen kritisiert zu werden kann außerdem für Unmut beim Chef sorgen. Das ist keine gute Ausgangslage für eine konstruktive Diskussion.

Unsachlich werden

Persönliche Angriffe und Beleidigungen sind kein guter Stil, wenn Sie Kritik am Chef äußern möchten. Das lässt Sie respektlos wirken und ist unprofessionell. Wenn Sie zu aufgeladen für eine sachliche Unterhaltung sind, warten Sie ab, bis sich Ihre Wut gelegt hat. Reden Sie dann in Ruhe mit dem Chef, ohne ihm Vorwürfe zu machen.

Keine konkreten Kritikpunkte nennen

Sie haben die Nase voll und möchten dem Chef mal so richtig die Meinung sagen. Was Sie genau stört, wissen Sie vielleicht selbst nicht so genau – irgendwie alles eben. Wenn Sie in einer solchen Stimmung mit dem Chef sprechen, kommt wahrscheinlich keine konstruktive Unterhaltung dabei heraus. Sortieren Sie lieber erstmal Ihre Gedanken und überlegen Sie sich, was genau Sie stört. Ihr Vorgesetzter kann auf Ihre Ausführungen nur reagieren, wenn er weiß, was Sie meinen. Äußern Sie Kritik nicht, nur um Frust abzulassen und Ihren Unmut deutlich zu machen – das bringt Ihnen nur Ärger ein.

Dem Chef böse Absicht unterstellen

Der Chef verhält sich daneben, und macht das ganz bestimmt extra? Das sollte nicht Ihre Grundhaltung sein, wenn Sie ein Kritikgespräch mit dem Chef führen. Gehen Sie lieber davon aus, dass Ihrem Vorgesetzten nicht bewusst ist, wie sein Verhalten auf andere wirkt, und dass er sich nicht so verhält, um Sie persönlich zu ärgern. Ihr Chef ist auch nur ein Mensch, der mal schlechte Tage hat. Wenn Sie nun glauben, dass Ihr Vorgesetzter Ihnen absichtlich das Leben schwermacht, gehen Sie wahrscheinlich auch angriffslustig in das Gespräch. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Unterhaltung konstruktiv verläuft, schwindet dadurch.

Kritik am Chef: Beispiele

Wie Sie Ihre Kritik am Chef formulieren, sollte gut bedacht sein. Formulieren Sie Ihre Anmerkungen so diplomatisch und sachlich wie möglich, damit der Vorgesetzte sich nicht persönlich angegriffen fühlt und automatisch eine Abwehrhaltung einnimmt. Hier finden Sie für Ihre Formulierung von konstruktiver Kritik an Vorgesetzten Beispiele, die Ihnen als Inspiration dienen können:

  • Wenn der Chef sich überall einmischt: „Ich habe seit einiger Zeit das Gefühl, dass Sie mir in meiner Arbeit nicht mehr vertrauen, weil Sie viele Dinge selbst noch einmal prüfen. Sind Sie nicht zufrieden mit meinen Leistungen?“
  • Wenn der Chef verbal ausfallend wird: „Ich würde gerne mit Ihnen über unser Verhältnis zueinander und unsere Kommunikation sprechen. Mir ist viel an einem respektvollen Umgang miteinander gelegen, aber leider gibt es hier aus meiner Sicht noch Luft nach oben. Gibt es aus Ihrer Sicht etwas, das einem höflichen Umgang und einem guten Miteinander entgegensteht?“
  • Wenn Sie zu viel zu tun haben: „Sie wissen, ich mache meinen Job sehr gerne. In der letzten Zeit ist mir meine Arbeit aber ganz ehrlich gesagt etwas über den Kopf gewachsen. Ich habe in den letzten Wochen Aufgaben von meiner krankgeschriebenen Kollegin übernommen, und das umfangreiche Projekt XY kommt erschwerend hinzu. Gäbe es eine Möglichkeit, meine Aufgaben etwas zu reduzieren, damit ich mich meinen Kerntätigkeiten wieder mit voller Leistungsfähigkeit widmen kann?“
  • Wenn Sie gerne mehr Verantwortung übernehmen würden: „Mein Job macht mir Spaß, aber ich würde mir wünschen, mehr Verantwortung übernehmen zu können. Ich habe überlegt, mich für die offene Stelle als XY zu bewerben – wie ist Ihre Meinung dazu? Alternativ kann ich mir auch gut vorstellen, in meiner jetzigen Position verantwortungsvollere Aufgaben zu übernehmen.“

Kann Kritik am Chef unerwünschte Konsequenzen haben?

Viele Arbeitnehmer scheuen sich, ihren Chef zu kritisieren – aus Angst vor negativen Folgen. Was kann passieren, wenn man Kritik am Vorgesetzten äußert? Natürlich kann es sein, dass Ihr Vorgesetzter mit Unmut auf Ihre Ausführungen reagiert. Wenn das Gespräch nicht konstruktiv verläuft, kann es sein, dass der Chef anschließend schlecht auf Sie zu sprechen ist. Das kann Ihr Verhältnis zum Vorgesetzten belasten und ist schlimmstenfalls ein Hindernis bei Ihrer weiteren Entwicklung im Unternehmen.

So schlimm muss es allerdings nicht kommen. Es hängt maßgeblich davon ab, wie Sie Ihre Kritik am Chef formulieren und welchen Ton Sie dabei anschlagen. Bei einem höflichen und respektvollen Kritikgespräch ist es äußerst unwahrscheinlich, dass es arbeitsrechtliche Konsequenzen hat. Ihr Chef wird – und kann – Sie dafür kaum abmahnen, geschweige denn Ihnen kündigen.

Anders sieht es aus, wenn Sie in Ihrer Kritik ausfallend oder beleidigend werden. Wenn es den Anschein hat, als wollten Sie Ihren Chef in erster Linie schlechtmachen, statt ernsthaft inhaltliche Aspekte zu besprechen, kann Ihnen das als Schmähkritik ausgelegt werden. In diesem Fall wäre eine Abmahnung aus verhaltensbedingten Gründen denkbar. In gravierenden Fällen kann Ihnen dann auch eine verhaltensbedingte Kündigung drohen, gegebenenfalls auch fristlos.

Bildnachweis: antoniodiaz / Shutterstock.com

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