Rente mit 70: Müssen wir in Zukunft bis 70 arbeiten?

Die meisten Arbeitnehmer in Deutschland können künftig erst mit 67 Jahren in Rente gehen – zumindest entspricht das den gegenwärtigen Regelungen. Damit das Rentensystem finanzierbar bleibt, ist aber immer wieder eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters im Gespräch. Besonders über eine Rente mit 70 wird dabei diskutiert. Ist das realistisch? Was spricht dafür, was dagegen, das Renteneintrittsalter anzuheben? Und warum ist das überhaupt nötig? In diesem Beitrag erfahren Sie es.

Ein älterer Mann arbeitet in einer KFZ-Werkstatt, erhält er die Rente mit 70?

So ist der Renteneintritt gegenwärtig geregelt

In welchem Alter ein Arbeitnehmer oder Selbständiger in Rente geht, ist nicht nur eine persönliche Entscheidung. Es kommt auch ganz entscheidend auf politische Entscheidungen und die geltenden Regelungen zum Renteneintritt an. Die Bundesregierung hat im Jahr 2007 eine umfassende Rentenreform beschlossen, die seit dem Jahr 2012 umgesetzt wird. Die Regelaltersgrenze steigt seither schrittweise von damals 65 Jahren auf 67 Jahre an.

Diese sukzessive Anhebung des Renteneintrittsalters soll sich noch bis zum Jahr 2029 fortsetzen. Bis dahin hängt es vom Jahrgang ab, wann jemand in Rente gehen kann. Wer im Jahr 1956 geboren wurde, kann – abhängig von seinem konkreten Geburtsdatum – im Jahr 2021 mit 65 Jahren und zehn Monaten in Rente gehen. Für den darauffolgenden Jahrgang der 1957 Geborenen liegt die Regelaltersgrenze schon bei 65 Jahren und elf Monaten, und wer 1958 geboren wurde, muss im Regelfall bis 66 arbeiten. Wer ab dem Jahr 1964 geboren wurde, kann erst mit 67 Jahre in Rente gehen.

Früher in Rente gehen: Oft nur mit Abschlägen

Neben dem Jahrgang spielen auch die individuellen Umstände, insbesondere die Versicherungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung, eine Rolle. Wer die Regelaltersgrenze erreicht hat, kann ohne Abschläge in Rente gehen. Zusätzlich gibt es besondere Regelungen für zwei Gruppen von Beschäftigten: langjährig Versicherte und besonders langjährig Versicherte.

Langjährig Versicherte sind Personen, die mehr als 35 Jahre lang Beiträge an die Rentenversicherung gezahlt haben. Sie können einige Jahre früher in Rente gehen, müssen im Gegenzug aber Abschläge beim Rentenanspruch in Kauf nehmen. Diese Option wählen viele Arbeitnehmer, allerdings ist sie teuer – schließlich bekommen die Betroffenen Zeit ihres Lebens weniger Rente.

Die Sonderregelung für besonders langjährig Versicherte betrifft Menschen, die mehr als 45 Beitragsjahre in der gesetzlichen Rentenversicherung vorweisen können. Sie können ebenfalls einige Zeit vor dem Erreichen der Regelaltersgrenze in Rente gehen, und zwar abschlagsfrei. Es hängt auch hier vom Jahrgang ab, ab wann ein früherer Renteneintritt möglich ist.

Warum über ein späteres Rentenalter diskutiert wird

Immer wieder ist eine Erhöhung des Rentenalters im Gespräch. Warum eigentlich? Der Ausgangspunkt der Debatte ist der demografische Wandel. Die Bevölkerung in Deutschland altert ebenso wie die vieler anderer Industrienationen. Es werden weniger Kinder geboren, so dass es immer mehr ältere und weniger jüngere Menschen gibt. Das wird für das Solidarsystem zum Problem: Es gibt künftig mehr alte Menschen, die in Rente gehen, und weniger, die arbeiten und damit Beiträge zahlen.

In der nahen Zukunft werden viele Arbeitnehmer aus geburtenstarken Jahrgängen das Arbeitsleben hinter sich lassen. Damit gibt es mehr Menschen, die auf Rentenbezüge angewiesen sind. Weil die Lebenserwartung steigt, beziehen nicht nur mehr ältere Menschen Renten, sondern sie tun das auch für einen längeren Zeitraum.

Das muss finanziert werden, und zwar von jüngeren, arbeitstätigen Menschen. Davon gibt es perspektivisch wegen des Geburtenrückgangs immer weniger. Im Jahr 1960 mussten 100 Jüngere rechnerisch noch 20 ältere Menschen über 65 unterstützen. Bis zum Jahr 2030 muss dieselbe Zahl an Arbeitnehmern schon für 50 bis 60 Rentner aufkommen.

Damit das Rentensystem in der jetzigen Form überhaupt weiter finanziert werden kann, wird die Arbeitszeit ausgeweitet. Und weil die Lebenserwartung wohl weiter steigt und das Problem der Finanzierung der Renten sich künftig noch verschärfen wird, ist die Frage, ab wann Menschen in Rente gehen können sollten, längst nicht abschließend geklärt. Nach der jüngsten Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre fordern manche bereits die Rente ab 70.

Rente mit 70: Was dafür und was dagegen spricht

Für eine Rente mit 70 im Speziellen und eine Erhöhung des Renteneintrittsalters im Allgemeinen gibt es ebenso Argumente wie gegen eine weitere Anhebung des Rentenalters. Was spricht dafür, was dagegen?

Befürworter einer Rente ab 70 oder einer anderweitigen Erhöhung des Rentenalters argumentieren, dass eine Anhebung schlicht notwendig ist, um das Rentensystem in seiner jetzigen Form überhaupt finanzieren zu können. Würde das Renteneintrittsalter nicht angepasst, könnte das ansonsten andere unerwünschte Folgen haben, etwa höhere Beitragssätze oder sinkende Renten.

Ein weiteres Argument, was im Sinne einer Rente mit 70 angebracht wird, ist die steigende Lebenserwartung. Ältere Menschen beziehen heute im Schnitt wesentlich länger als früher Rente. Wer später in Rente geht, müsste dann zwar länger arbeiten, hätte aber nicht unbedingt weniger Zeit als Rentner.

Bis 70 arbeiten? Das sagen Kritiker

Kritiker führen hingegen an, dass viele ältere Arbeitnehmer schon Probleme haben, bis 67 zu arbeiten. Viele ältere Beschäftigte fühlen sich ausgebrannt und empfinden es als Belastung, in ihrem Alter überhaupt noch arbeiten zu müssen. Hinzu kommt: In manchen Berufen, die psychisch oder körperlich sehr anstrengend sind, wäre eine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters kaum vorstellbar.

Wer etwa im Garten- und Landschaftsbau oder im Straßenbau arbeitet, ist körperlich mit Ende 60 wahrscheinlich am Ende seiner Kräfte. Kritiker einer weiteren Erhöhung der Regelaltersgrenze argumentieren zudem, dass ein noch längeres hartes Arbeiten mit einer Verkürzung der Lebenszeit einhergehen kann. Dadurch müssten die Betroffenen länger arbeiten, hätten aber umso weniger Zeit als Rentner.

Müssten Arbeitnehmer bis 70 arbeiten, könnte sich auch das Problem der Altersarmut verschärfen. Das hängt auch mit einer möglichen Arbeitslosigkeit in höherem Alter zusammen. Viele ältere Arbeitslose finden nach einer Kündigung keinen neuen Job mehr. Zeiten der Arbeitslosigkeit sind nicht nur unmittelbar ein Problem, sondern sie führen auch zu niedrigeren Rentenansprüchen. Von Altersarmut sind auch Menschen bedroht, die nicht bis 70 arbeiten können und deshalb notgedrungen Abschläge in Kauf nehmen, um früher in Rente gehen zu können.

Kommt die Rente mit 70?

Derzeit – Stand 2019 – gehen Arbeitnehmer im Schnitt mit rund 64 Jahren in Rente, und damit zwei Jahre später als noch vor 20 Jahren. Das aktuelle Renteneintrittsalter entspricht allerdings in etwa dem der 1960er Jahre. Immer mehr Arbeitnehmer werden künftig bis 67 arbeiten müssen – mindestens.

Die Rente mit 67 ist längst beschlossen. Dass das Rentenalter wieder gesenkt wird, ist praktisch ausgeschlossen, auch wenn es durchaus Stimmen gibt, die das fordern. Der Sozialverband VdK hat etwa eine Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren gefordert, wovon allerdings längst nicht alle Beschäftigten betroffen wären, da das einen sehr frühen Beginn der Erwerbstätigkeit voraussetzen würde.

Umgekehrt gibt es viele Stimmen, die für eine Rente mit 70 plädieren. Eine Erhöhung des Rentenalters halten etwa Wirtschaftsforschungsinstitute, Arbeitgeberverbände, die Deutsche Bundesbank und die EU-Kommission für nötig. In Deutschland hat jüngst ein Beratergremium des Wirtschaftsministeriums eine Anhebung des Rentenalters auf 68 Jahre vorgeschlagen. Das sorgte für heftige Kritik, insbesondere bei SPD, Linken und Gewerkschaften. Auch der Minister, Peter Altmaier (CDU), sprach sich dagegen aus. Gegner von einem Arbeiten bis 70 sind darüber hinaus vor allem Gewerkschaften und Sozialverbände.

Arbeiten bis 70: Mögliche Alternativen

Ob wir künftig bis 70 arbeiten müssen, lässt sich heute kaum abschätzen. Dass sich derzeit politische Mehrheiten für eine Rente ab 70 oder eine anderweitige Anhebung des Renteneintrittsalters finden würden, ist unwahrscheinlich. Wie das in einigen Jahren oder Jahrzehnten aussieht, kann jedoch niemand sagen.

Egal, ob mit einer Rente ab 70 oder nicht: Beim Rentensystem besteht zumindest mittelfristig Handlungsbedarf. Wenn das Renteneintrittsalter nicht angehoben wird, könnte das zu höheren Beiträgen oder einer Senkung des Rentenniveaus führen.

Gegensteuern ließe sich mit einer gezielten Zuwanderung. Wenn ausreichend viele Fachkräfte nach Deutschland kämen, gäbe es mehr Arbeitnehmer, die in die Rentenkasse einzahlen würden. Das könnte die niedrigeren Geburtenraten jüngerer Generationen ganz oder teilweise kompensieren.

Ein anderer Ansatz könnte darin bestehen, die Erwerbsquote zu erhöhen. Wenn es gelänge, mehr ältere Arbeitslose und Langzeitarbeitslose, aber auch Frauen in Arbeit zu bringen, gäbe es wiederum mehr Beitragszahler. Auch für höhere Löhne spricht im Rahmen der Diskussion um das Rentenalter vieles: Höhere Löhne würden zu höheren Abgaben führen. Wenn prekäre Beschäftigungsverhältnisse verringert werden könnten, müsste der Staat außerdem weniger Transferleistungen zur Unterstützung von Menschen mit geringen Einkommen zahlen.

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