Urlaub streichen: Darf der Arbeitgeber das?
Ein bevorstehender Urlaub ist für die meisten Arbeitnehmer ein Grund zur Vorfreude. Endlich raus aus dem alltäglichen Trott, endlich mal so richtig entspannen. Und dann das: Der Arbeitgeber kündigt an, den Urlaub wieder streichen zu müssen. Aber darf er das überhaupt? Und wenn ja, unter welchen Umständen? Darum geht es in diesem Artikel.
Wann darf der Arbeitgeber Urlaub streichen?
Jeder Beschäftigte in Deutschland hat ein gesetzlich verbrieftes Recht auf bezahlten Urlaub. Grundsätzlich muss jeder Arbeitgeber seinen Mitarbeitern ihren Erholungsurlaub ermöglichen. Deshalb wäre es auch nicht rechtens, wenn ein Arbeitgeber versuchen würde, Urlaub von vornherein ersatzlos zu streichen.
Das kommt leider gar nicht so selten vor; vor allem Minijobber können oft nur davon träumen, bezahlte Urlaubstage zu bekommen. So mancher geringfügig Beschäftigter riskiert gar den Job, wenn er versucht, sein Recht auf Urlaub durchzusetzen. Zulässig ist ein entsprechendes Verhalten des Arbeitgebers aber nicht.
Auch abseits von Minijobs müssen Arbeitnehmer die Urlaubstage nehmen können, die ihnen per Gesetz oder laut Arbeits- oder Tarifvertrag zustehen. Ein genehmigter Urlaubsantrag gilt als bindend für beide Seiten. Der Arbeitgeber kann also nicht nach Gutdünken entscheiden, dass der Urlaub doch wieder gestrichen wird, weil ihm erst später auffällt, dass der Zeitraum für ihn unpassend ist. Er darf auch nicht Urlaub streichen wegen Personalmangels – schließlich hätte er mit einer dichteren Personaldecke planen können.
Arbeitgeber dürfen genehmigten Urlaub nur in Notfällen streichen
Im Normalfall ist es Arbeitgebern somit nicht erlaubt, Urlaub zu streichen. Von diesem Grundsatz sind nur in zwei Fällen Abweichungen möglich:
- Der Beschäftigte stimmt zu, seinen Urlaub zu verschieben. Dazu darf ihn der Arbeitgeber nicht drängen; dieser Schritt muss freiwillig geschehen.
- Es liegt ein Notfall vor, der die Existenz des Betriebs bedroht. Das ist praktisch nur in absoluten Ausnahmefällen denkbar, zum Beispiel in Verbindung mit Naturkatastrophen. Es wäre auch ein Notfall, wenn die Produktion ins Stocken geriete. In diesem Fall darf der Arbeitgeber Urlaub aber nur streichen, wenn er das Problem nicht anders lösen kann als durch den Einsatz eines Mitarbeiters, der eigentlich Urlaub nehmen wollte.
Die Frage, was ein existenzbedrohender Notfall ist, ist ein Stück weit Auslegungssache. Viele Arbeitgeber interpretieren diese Vorgabe zu ihren Gunsten – und sehen die Existenz des Betriebes schon auf dem Spiel, wenn ein unerwarteter Großauftrag hereinkommt, den man nicht erfüllen kann, ohne Mitarbeitern ihren Urlaub zu streichen. Solche Umstände reichen jedoch nicht aus, um die Urlaubstage auch ohne die Zustimmung der betroffenen Mitarbeiter streichen zu können.
Darf der Arbeitgeber Mitarbeiter aus dem Urlaub zurückholen?
Noch begrenzter sind die Möglichkeiten von Arbeitgebern, wenn es darum geht, Beschäftigte aus dem Urlaub zurückzuholen. Entsprechende Anweisungen des Chefs sind fast immer unwirksam. Erholungsurlaub dient den Beschäftigten als Ausgleich zum oft anstrengenden Berufsalltag. Befürchten zu müssen, dass sie aus dem Urlaub zurückgeholt werden könnten, wäre aus Sicht der Betroffenen mit echter Erholung nicht vereinbar.
So mancher Arbeitgeber versucht es trotzdem. Es steht Ihnen jedoch in den meisten Fällen frei, ein entsprechendes Gesuch des Chefs abzulehnen. Sie sollten sich nicht dazu gedrängt fühlen, frühzeitig an den Arbeitsplatz zurückzukehren. Arbeitsrechtliche Folgen, etwa eine Abmahnung oder gar direkt eine Kündigung, müssen Sie nicht fürchten.
So mancher Arbeitgeber schließt mit seinen Mitarbeitern eine Rückrufvereinbarung. Das ist aber nicht ausreichend, um Urlaub streichen zu dürfen. Eine solche Vereinbarung gilt aufgrund von § 13 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) als unwirksam. Im Urlaub auf Abruf zu sein würde dem Erholungscharakter des Urlaubs entgegenstehen.
Rückruf aus dem Urlaub: Nicht unmöglich, aber praktisch kaum durchsetzbar
Heißt das, es ist absolut unmöglich für Arbeitgeber, Mitarbeiter aus dem Urlaub zurückzuholen? Nein, aber es ist sehr schwierig. Auch hier gilt: Es muss ein betrieblicher Notfall vorliegen und es muss an der Person des Arbeitnehmers hängen, diesen Notfall zu bewältigen. Nur dann kann es eine Option sein, Mitarbeiter aus dem Urlaub zurückzuholen.
Sofern der Arbeitgeber die Situation auch anders lösen kann, zum Beispiel durch den Einsatz vorübergehender Arbeitskräfte, muss er das tun. Erst, wenn alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind, kann er darüber nachdenken, einen Mitarbeiter aus dem Urlaub zu holen. Der Arbeitgeber muss dann im Zweifel nachweisen können, dass genau dieser Beschäftigte nötig ist, um den existenzbedrohenden Notfall im Betrieb abzuwenden.
Sie dürfen sich natürlich freiwillig darauf einlassen, früher aus dem Urlaub zurückzukommen. Ohne Ihre Zustimmung kann der Arbeitgeber den Urlaub aber in aller Regel nicht mehr streichen.
Urlaub streichen: Welche Folgen hat das?
Wenn der Arbeitgeber Ihnen mit oder ohne Ihre Zustimmung den Urlaub streicht, muss er für alle Kosten aufkommen, die Ihnen dadurch entstehen. Das kann zum Beispiel Stornierungskosten betreffen oder Kosten für eine frühere Rückreise aus dem Urlaub, die für Sie und Ihre Mitreisenden entstehen.
Sie können den Arbeitgeber auch zur Kasse bitten, wenn Sie Ihren Urlaub nun zu einem Zeitpunkt nehmen müssen, an dem Ihnen dafür höhere Kosten entstehen – zum Beispiel, wenn Sie gezwungen sind, in der Haupt- statt in der Nebensaison zu verreisen.
Neben der Erstattung sämtlicher Kosten für den gestrichenen oder abgebrochenen Urlaub muss der Arbeitgeber Ihnen natürlich auch die nicht genommenen Urlaubstage zu einem späteren Zeitpunkt gewähren. Er darf den Urlaub nicht einfach ohne Ersatz streichen. Ebenso wenig ist es zulässig, Urlaubstage auszuzahlen, obwohl sie ebenso gut genommen werden könnten.
Arbeitgeber will Urlaub streichen: Wie kann man sich wehren?
Wenn der Arbeitgeber genehmigten Urlaub streichen will, sind viele Beschäftigte verärgert – und das völlig zu Recht, denn in den meisten Fällen darf der Arbeitgeber den Urlaub nicht verweigern, wenn er den Urlaubsantrag bereits bewilligt hat. Was kann man also tun, wenn der Chef die Urlaubstage einkassieren will?
Wenn Sie den Urlaub noch nicht angetreten haben, der Chef also bevorstehenden Urlaub streichen möchte, sollten Sie die Umstände berücksichtigen, wenn Sie auf eine entsprechende Anweisung reagieren. Liegt ein betrieblicher Notfall vor? Nur dann hätte der Arbeitgeber das Recht, Ihren Urlaub auch gegen Ihren Willen zu streichen.
Können Sie nicht ausschließen, dass es sich tatsächlich um einen Notfall handelt, ist es besser, den gestrichenen Urlaub hinzunehmen. Mag sein, dass sich später herausstellt, dass der Arbeitgeber den Urlaub nicht streichen durfte – eine Garantie haben Sie dafür nicht. Ist der Arbeitgeber doch im Recht, müssen Sie womöglich mit einer Abmahnung oder Kündigung leben, wenn Sie den Anweisungen des Chefs nicht entsprechen.
Der Betriebsrat kann für Sie vermitteln
Ist ein Notfall unwahrscheinlich, brauchen Sie sich vor möglichen arbeitsrechtlichen Konsequenzen weniger Sorgen zu machen. Es kann trotzdem sinnvoll sein, auf den geplanten Urlaub (vorerst) zu verzichten, um keine Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber zu riskieren. Falls es in Ihrer Firma einen Betriebsrat gibt, sollten Sie sich an das Gremium wenden, wenn der Arbeitgeber Ihren Urlaub streichen will. Der Betriebsrat kann für Sie vermitteln.
Gibt es keinen Betriebsrat, bleibt Ihnen nur die Möglichkeit, einen Anwalt zu engagieren. Dort können Sie sich hinsichtlich Ihrer Optionen beraten lassen. Falls Sie es darauf ankommen lassen möchten, können Sie mit der Unterstützung eines Anwalts auch versuchen, Ihren Anspruch auf Urlaub im betreffenden Zeitraum gerichtlich durchzusetzen.
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