Das Peter-Prinzip: Vergiftete Beförderung
Wer kennt das nicht: Bei so mancher Führungskraft fragt man sich, wie sie es bloß auf ihre Position geschafft hat – weil sie offensichtlich eine Fehlbesetzung ist. Einen Erklärungsansatz mit ironischem Unterton lieferten schon in den 1960er Jahren der Lehrer Laurence J. Peter und der Schriftsteller Raymond Hull mit dem Peter-Prinzip. Was sich dahinter verbirgt, wozu das Peter-Prinzip führt und was Arbeitgeber und Arbeitnehmer tun können, um es zu vermeiden, erfahren Sie hier.
Was ist das Peter-Prinzip?
Beim Peter-Prinzip handelt es sich um ein Management-Konzept, das auf den kanadischen Lehrer Laurence J. Peter zurückgeht. Peter veröffentlichte im Jahr 1969 gemeinsam mit dem britisch-kanadischen Schriftsteller Raymond Hull ein Buch mit dem Titel „The Peter Principle“ – das Peter-Prinzip.
Eigentlich war die Veröffentlichung nicht ganz ernst gemeint, sondern als Satire gedacht. Weil die Thesen von Peter jedoch einen wahren Kern hatten, wurden sie zunehmend populär – und werden noch heute als Erklärung für verfehlte Personalentscheidungen herangezogen.
Was besagt das Peter-Prinzip? Der Grundgedanke von Peter war, dass Beschäftigte in einer Hierarchie so lange aufsteigen, bis sich in einer Position wiederfinden, für die sie nicht die nötige Kompetenz mitbringen. Peter und Hull nennen das das „maximale Level an Inkompetenz“. Eigentlich fähige Mitarbeiter werden dafür so lange befördert, bis sie einen Job haben, für den ihre Fähigkeiten oder Erfahrungen nicht mehr ausreichen.
Wozu führt das Peter-Prinzip?
Nach der These von Peter und Hull werden Beschäftigte in einem Unternehmen mit einer linearen Hierarchie so lange befördert, bis sie den Anforderungen der jeweiligen Stelle nichtmehr gewachsen sind. Dazu kommt es, weil sie ihren ursprünglichen Job gut gemacht haben. Wer seine Position optimal ausfüllt, ist schließlich der naheliegende Kandidat für eine Beförderung.
In vielen Unternehmen werden Arbeitnehmer, die Beförderungen ausschlagen, von Vorgesetzten oder Kollegen kritisch beäugt. So lassen sie sich auf den beruflichen Aufstieg ein – aber nur, weil sie ihren früheren Job gut gemacht haben, heißt das nicht, das sie auch eine gute Besetzung für einer höherrangige Stelle sind.
Ein Beispiel wäre ein Redakteur, der durch seine wortgewandten und gut recherchierten Artikel glänzt. Er wird als großes Talent gesehen – und bekommt den Posten des Redaktionsleiters, als dieser frei wird. In dieser Position wird jedoch schnell klar, dass die Stärken des Redakteurs beim Schreiben liegen. Seine Mitarbeiter kann er nicht gut führen, weil er wenig entscheidungsfreudig ist und sich scheut, Kritik zu äußern.
Oder ein Garten- und Landschaftsbauer glänzt durch Einsatzfreude, Belastbarkeit und Schnelligkeit. Er ist ein Gewinn für das Team – aber nach einer Beförderung zum Vorarbeiter wird schnell klar, dass er weder durch Organisationsfähigkeit noch durch Kommunikationsfähigkeit glänzt. Diese beiden Eigenschaften sind aber in der neuen Position essenziell.
Personelle Fehlentscheidungen können weitreichende Konsequenzen haben
Die Krux ist beim Peter-Prinzip die, dass eine einmal beförderte Person sehr wahrscheinlich in dieser Position bleiben wird, auch wenn sie dafür nicht kompetent genug ist – schlimmstenfalls bis zum Renteneintritt. Eine Degradierung kommt meist nicht infrage, obwohl sie nicht selten für alle Beteiligten die beste Lösung wäre. Im Hierarchielevel wieder abzusteigen würde für den betroffenen Arbeitnehmer aber einen Gesichtsverlust bedeuten, der sein Ansehen in der Firma erheblich untergraben könnte. Er würde dann wahrscheinlich als gescheitert gelten.
Problematisch ist nach dem Peter-Prinzip an solchen Beförderungen nicht nur, dass die Person in ihrer neuen Rolle keinen Erfolg hat. Sie fehlt auch auf ihrer bisherigen Position, die sie ja gut ausgefüllt hat. Womöglich wird dort ein neuer Mitarbeiter eingesetzt, der nicht die Kompetenzen seines Vorgängers hat. So könnte das Level der Inkompetenz im Unternehmen insgesamt steigen – möglicherweise mit erheblichen Konsequenzen für die Produktivität und das Betriebsklima.
Das Peter-Prinzip: Wenn eine Beförderung vergiftet ist
Personelle Fehlentscheidungen geschehen häufig mit den besten Absichten und sind einer fehlerhaften (oder unzureichenden) Einschätzung der Kompetenzen eines Beschäftigten geschuldet. Es kommt aber auch vor, dass eine Beförderung nicht als Wertschätzung und Anerkennung der Leistungen eines Arbeitnehmers zu verstehen ist – sondern ganz im Gegenteil genutzt wird, um einen unliebsamen Mitarbeiter loszuwerden.
Das Kalkül vieler Arbeitgeber klingt dann so: Ein Mitarbeiter, den man – aus welchen Gründen auch immer – lieber nicht mehr im Unternehmen hätte, wird auf eine Stelle befördert, in der er nur scheitern kann. Eine Kündigung war in der bisherigen Position dieses Beschäftigten wahrscheinlich nicht möglich. Liefert der Betreffende aber nach seiner Beförderung nicht die Leistung, die von ihm erwartet wird, kann man ihn leichter loswerden. Oder der Mitarbeiter verlässt die Firma freiwillig, weil er in seiner neuen Rolle auch nicht glücklich ist. Auf diese Weise versuchen nicht wenige Arbeitgeber, sich kritischer oder anderweitig unbequemer Mitarbeiter zu entledigen.
Beförderungen mit Kalkül
Zum Peter-Prinzip gehört auch das Modell der „geräuschlosen Sublimierung“. Dahinter verbirgt sich eine Pseudo-Beförderung. Der Arbeitgeber sieht, dass der Mitarbeiter nicht kompetent genug ist, und befördert ihn auf einen Posten, wo seine Inkompetenz wenig Schaden anrichten kann. Dadurch ist der Weg frei für eine bessere Besetzung auf der ursprünglichen Stelle.
Die geräuschlose Sublimierung hat noch einen Effekt: Weil Außenstehenden die Hintergründe der Beförderung nicht klar sind, können andere Mitarbeiter glauben, dass auch sie befördert werden können – nach dem Motto: Wenn der eine Beförderung bekommt, kann ich das auch.
Ein anderes Modell, was zum Peter-Prinzip gehört, ist das der „seitlichen Arabeske“. Dabei schaffen Arbeitgeber neue Posten mit geringer Tragweite, um unfähige oder unliebsame Mitarbeiter dorthin zu „verbannen“.
Beförderung bis zur Inkompetenz: Wie lässt sie das vermeiden?
Weder für Arbeitgeber noch für Arbeitnehmer ist eine Beförderung bis zur Inkompetenz wünschenswert. Aus Sicht des Arbeitgebers fehlt der Mitarbeiter auf seinem früheren Posten, der womöglich von einem weniger fähigen Mitarbeiter ausgefüllt wird. Außerdem ist er eine Fehlbesetzung in seiner neuen Position, was gravierende Folgen für die Entwicklung des Unternehmens und die Mitarbeiterzufriedenheit haben kann.
Aus Sicht von betroffenen Arbeitnehmern ist die Situation meist ebenfalls suboptimal – wer freut sich schon darüber, wenn er tagtäglich im Job merkt, dass er seinen Aufgaben nicht gewachsen ist? Man muss schon ziemlich abgebrüht sein, um sich davon nicht beirren zu lassen und guten Gewissens das üppigere Gehalt der höherrangigen Stelle mitzunehmen.
Die gute Nachricht: Eine Beförderung bis zur maximalen Unfähigkeit lässt sich in den meisten Fällen vermeiden. Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer haben Möglichkeiten, sie zu verhindern.
Was Arbeitgeber gegen das Peter-Prinzip tun können
Für Arbeitgeber ist essenziell, dass sie sich nicht von den bisherigen Leistungen eines Mitarbeiters blenden lassen, wenn es um die Besetzung einer höherrangigen Position geht. Sie sollten kritisch hinterfragen, ob der (bislang) kompetente Mitarbeiter wirklich auch für die andere Stelle eine gute Wahl wäre.
Dabei spielen nicht nur Erfahrungen und Wissen, sondern auch der Charakter der betreffenden Person eine entscheidende Rolle. Ebenso sollte es für Arbeitgeber selbstverständlich sein, klaglos zu akzeptieren, wenn ein Mitarbeiter eine Beförderung ausschlägt oder sich für einen höherrangigen Posten nicht bewirbt.
Viele Arbeitnehmer legen Wert auf Karriere. Wenn Ihnen eine Beförderung angeboten wird oder intern eine Stelle ausgeschrieben ist, sollten Sie jedoch selbstkritisch hinterfragen, ob Sie die nötigen Kompetenzen – fachlich wie persönlich – dafür mitbringen. Natürlich können und sollen Sie sich Herausforderungen im Job stellen. Wenn Ihnen aber schon vorher klar ist, dass die höherrangige Position eigentlich nichts für Sie ist, sollten Sie von dem Angebot des Arbeitgebers oder einer Bewerbung Abstand nehmen.
Eine Beförderung ablehnen: Bitte mit Fingerspitzengefühl
Arbeitgeber können es als undankbar empfinden, wenn ein Mitarbeiter eine Beförderung ausschlägt. Deshalb ist wichtig, wie Sie Ihre Ablehnung begründen. Suchen Sie ein Gespräch mit Ihrem Chef und erklären Sie Ihre Beweggründe. Dabei können Sie sich dankbar für die bisherige Zusammenarbeit und das Angebot einer Beförderung zeigen, sollten aber gleichzeitig deutlich machen, warum Sie lieber auf Ihrer jetzigen Position verbleiben möchten. Erklären Sie, warum es auch für den Arbeitgeber wünschenswert ist, wenn alles bleibt wie bisher. Vielleicht haben Sie auch Kollegen in der Hinterhand, die Sie stattdessen für die betreffende Position vorschlagen können.
Besonders zurückhaltend sollten Sie mit Ihrer Reaktion auf den Vorschlag einer Beförderung sein, wenn Sie gar nicht wissen, warum der Arbeitgeber gerade Sie dazu auserwählt hat. Vielleicht sind Sie schon des Öfteren mit Ihrem Vorgesetzten aneinandergeraten oder Sie sind als kritischer Mitarbeiter bekannt. Dann kann es gut sein, dass es sich um eine vergiftete Beförderung handelt, die Sie kaltstellen soll.
Falls Ihr Chef mit einem entsprechenden Angebot auf Sie zukommt, obwohl Sie dafür gar keine Grundlage sehen, sollten Sie gut überlegen, ob Sie es annehmen. Perspektivisch sollten Sie sich unter diesen Umständen darauf einstellen, den Arbeitgeber zu wechseln. Wenn man Sie loswerden möchte, haben Sie wahrscheinlich keine rosige Zukunft im Unternehmen. Warten Sie nicht auf die Kündigung durch den Arbeitgeber, sondern sehen Sie sich lieber selbst nach neuen Jobs um.
Das Gegenstück zum Peter-Prinzip: Das Paula-Prinzip
Analog zum Peter-Prinzip ist auch vom Paula-Prinzip die Rede. Das Paula-Prinzip bezeichnet das Phänomen, dass viele Frauen eben nicht ungeachtet ihrer tatsächlichen Kompetenz immer weiter befördert werden, sondern im Gegenteil häufig in niedrigen Positionen verharren, obwohl sie mehr könnten.
Viele Frauen werden bei Beförderungen nachrangig behandelt. Das kann bewusst oder unbewusst geschehen. Oder sie bewerben sich selbst nicht auf interne Ausschreibungen – zum Beispiel, weil sie Zweifel haben, ob sie für die höhere Position tatsächlich kompetent genug sind. Auch die Vereinbarkeit von Job und Familie kann eine Rolle spielen, wenn Frauen sich nicht für Führungspositionen bewerben.
Viele weibliche Beschäftigte sind für ihre Positionen überqualifiziert
Unabhängig von den Hintergründen führt das dazu, dass viele Frauen viele Jahre lang oder sogar dauerhaft Jobs haben, für die sie überqualifiziert sind. Damit wird Potenzial verschenkt: Arbeitgeber könnten von den Qualifikationen der Betroffenen noch stärker profitieren, und die betroffenen Frauen könnten ihre Karriere vorantreiben und mehr Geld verdienen.
Wenn es darum geht, das Paula-Prinzip zu verhindern, sind wiederum Arbeitgeber und Beschäftigte gefragt. Arbeitnehmer sollten überlegen, ob es nicht höherrangige Positionen gibt, die sie reizen und für die sie kompetent genug sind – und sich selbstbewusst darauf bewerben. Die Aufgabe von Arbeitgebern ist es, alle Mitarbeiter, egal welchen Geschlechts, adäquat zu fördern und bei der Besetzung von offenen Posten zu berücksichtigen. Auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sollte im Fokus von Arbeitgebern stehen, um das Paula-Prinzip zu verhindern.
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